Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
Vom Netzwerk:
Autor aus seinem Werk zu verstehen sucht. Sie ist entstanden, weil die von den Traditionalisten angerufene Sicht des Heiligen Geistes immer umstritten blieb. Diese war immer nur eine bloß individuelle Ambition, oder das Dekret einer Wahrheitsbehörde hat sie für eine Weile bei einer bestimmten Klientel durchgesetzt.
    4.  Neue Glaubensbegründungen
Der Oberherr der Welt schwimmt unbewiesen in seinem Blute … Die Unsterblichkeit der Seele liegt in den letzten Zügen – das röchelt, das stöhnt …
Heinrich Heine über Kant in: Religion und Philosophie in Deutschland (1834)
    Die Christen der ersten Jahrhunderte konnten ihren Glauben nicht als selbstverständlichen Besitz ansehen. Sie waren in einer missionarischen Situation. Sie mußten und sollten Rechenschaft geben von ihrer Hoffnung auf ein nahes Weltende. Sie sollten argumentieren, also einen vernünftigen Grund ( logos ) angeben, wenn sie gefragt wurden ( 1. Petrusbrief  3,15). Was sie vorbrachten, hing teilweise von ihrem Gegenüber ab. Wenn sie mit Juden sprachen, brauchten sie nicht ihren Monotheismus zu verteidigen. Gegen den Polytheismus und die Zwei-Götter-Philosophie der Manichäer war die Berufung auf griechische Philosophen am Platz. Die antiken Glaubensbegründungen machen für uns die Einschnitte sichtbar, die seit etwa 1700 erfolgt sind. Sie haben sowohl den Glauben wie den Unglauben verändert.
    Gefragt, warum er glaube, nannte Augustin folgende Gründe:
    Ihn überzeuge die breite Zustimmung der Völker. Der Missionserfolg, der gegen 400 in der Mittelmeerwelt festzustellen war, imponierte ihm als Argument. Damit sei die alte Prophetie sichtbar erfüllt.
    Die Autorität der christlichen Kirche sei durch Wunder begründet. Hoffnung habe sie genährt und Liebe vermehrt; ihr hohes Alter habe sie bestätigt; das zeige die ununterbrochene Abfolge der Bischöfe von Rom, von Petrus bis zum heutigen Tag.
    Schließlich halte ihn auch die Tatsache, daß allein seine Kirche die ‹katholische› heiße; selbst viele Häretiker nennten sie so.    [7]  
    An Augustins Glaubensbegründungen fällt zunächst einmal auf, wie rational, wie advokatenhaft sie angelegt sind. Sie beziehen sich auf die Außenwelt. Sie appellieren an äußere Fakten, auch an das, was die Leute sagen, an die Stabilität der Kirche als Institution, nicht an Sinnfindung und psychisches Schutzbedürfnis. Dem Glauben, dachte Augustin, gehe die rationale Prüfung der Glaubwürdigkeit voraus. Er sagte ausdrücklich, es werde doch wohl niemand an etwas glauben, wenn er nicht zuvor eingesehen hat, daß es glaubwürdig ist ( De praedestinatione sanctorum  2, 5).
    Als Augustin sagte, warum er glaube, waren der Christenheit die Felle des vermeintlich Faktischen noch nicht weggeschwommen. Sein Glaube war auch ‹Vertrauen›, aber nicht mit dem Übergewicht des emotionalen oder – wie sie sagen – des ‹existenziellen› Moments, das ihm heute protestantisch orientierte Religionsphilosophen geben, nachdem die Faktenbasis ihnen entzogen ist. Damit reagieren sie auf den von mir beschriebenen historischen Einschnitt. Auf Luther können sie sich dafür kaum berufen. Für ihn war Glaube immer auch das Überzeugtsein davon, daß bestimmte Außenereignisse wie Kreuzigung und Auferstehung tatsächlich stattgefunden haben:
    «So es dazu keme, das man vergessen solt illam historiam, so were der Grund hin» (Weimarer Ausgabe 29, 657).
    Die erwähnten ‹Tatsachen› waren nicht alles, was Augustin glaubte vorbringen zu können. Er war überzeugt, das Christentum gewähre dem Intellektuellen tiefe Einsichten, denn es teile die Gott- und Seelenspekulation der ‹platonischen Bücher›. Nur wollte er darauf nicht die erste Glaubensbegründung stützen; bei ihr nenne er nur Vorgänge in der sichtbaren Welt. Tiefere Wahrheit zu bringen, das versprächen alle.
    Auch Thomas von Aquino hat die Frage beantwortet, warum er glaube. Als er um das Jahr 1265 seine Summa contra gentiles schrieb, hob er gleich am Anfang (Buch 1, Kapitel 6) hervor, der christliche Glaube beziehe sich zwar auf Inhalte, die unsere Vernunft überstiegen, aber wer ihm zustimme, handle keineswegs leichtgläubig. Gottes Weisheit habe es so eingerichtet, daß sie den Menschen die Wahrheit ihrer Lehre mit passenden Argumenten beweise ( convenientibus argumentis ostendit ). Gott bestätige sie in der sichtbaren Welt auf sichtbare Weise, und zwar durch Heilung von Kranken, durch Auferweckung von Toten und durch wunderbare Veränderungen

Weitere Kostenlose Bücher