Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
mit einem Mann geschlafen haben, laßt für euch am Leben!
Buch Numeri (4. Buch Mose) 31,15–17
1) Wer sich heute entschließt, Christ zu sein, betet den Gott der Bibel an. Mancher Theologe nennt ihn im betulich-familiären Ton den ‹Gott der Väter› und preist seine Überlegenheit über den ‹Gott der Philosophen›. Möchte er ihn nicht vorher etwas näher kennen? Einen Eindruck verschafft ihm folgende Episode aus dem 1. Buch Samuel , Kapitel 15:
Gott schickt Samuel zu Saul. Er soll ihn zum König salben. Aber zuvor soll Saul den Befehl Gottes ausführen, den Schaden zu rächen, den Amalek und seine Leute Israel angetan hätten, als sie sich dem Auszug aus Ägypten in den Weg stellten. Er soll alle töten, ihn und alles, was ihm gehört: «Töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel!»
Saul führte diesen Befehl aus, machte aber dabei kleine Ausnahmen. Er hat die besten Stücke Vieh geschont und den Amalektitern einen neuen König gegeben. Statt Amalek machte er Agag zum König. Gott der Herr ist über die unvollkommene Ausführung seines Befehls wütend; er beauftragt Samuel, Saul zur Rede zu stellen und ihn abzusetzen. Samuel führt den Befehl aus und fordert, ihm den neuen König Agag vorzuführen. Dieser kommt freudig herbei, glaubt, er sei dem Tod entronnen, aber «dann hieb Samuel Agag in Stücke vor dem Angesicht des Herrn» ( 1. Buch Samuel 15,33).
Saul verliert die Königswürde, weil er den grausamen Auftrag abgeschwächt hat. Samuel haut den neuen König «in Stücke», weil dieser durch Sauls gemäßigte Folgsamkeit König geworden ist. Gott fordert absoluten Gehorsam. Sauls moderate Widerspenstigkeit war Sünde, heißt es, so schlimm wie Zauberei und Götzendienst. Samuel haut Agag «in Stücke», nicht in der Hitze der Schlacht, sondern als kalte Hinrichtungsszene, die Agag ahnungslos betritt. Ohne Untersuchung, ohne Pardon, aber dafür ‹vor dem Angesicht des Herrn›. Samuel bietet das Exempel des richtigen Verhaltens; er ist das Muster bedingungslosen Gehorsams. Darauf läuft diese Historiendichtung hinaus. Samuel bestellt dann einen neuen König statt des abgesetzten Saul. Gott duldet keine humanitäre Abmilderung seiner Strafbefehle.
Ich kann diesen Gott nicht anerkennen. Da lobe ich mir doch statt seiner den Gott der Philosophen. Meine Idee von ihm, sagte der große Theologe, sei eine ‹Waffe›, die ich schnell wegwerfen soll. Aber diese rasende Wut, die weder Säuglinge noch Tiere schont, sähe der Gott der Philosophen mitleidig weit unter sich. Er hielte diesen Gott für einen ungerechten, also gottlosen Tyrannen. Und dann fordert der andere prominente Theologe, Gerhard von Rad, mich auf, ich solle mich diesem ‹konkreten Gotteswort› unterwerfen! Ich kann das nicht. Daß niemand Kinder und Säuglinge töten darf, dessen bin ich mir sicherer als daß es die Stimme Gottes ist, die aus dem Mund des Schlächters Samuel Pogrome befiehlt. Ich weigere mich, ‹unbedingt› zu gehorchen. Ich will mich dem Befehl frei gegenüberstellen und ihn bewerten, ob ich ihm folgen kann. Daß ich beurteilen muß, was ich tun soll, das ist keineswegs, wie Apologeten ohne historische Quellenforschung behaupten, eine moderne Verzärtelung oder ein Rebellentum erst der Aufklärung. Dieser Gedanke gehört der antiken Philosophie an und wurde im 12. Jahrhundert in Paris aktualisiert. Aber nicht dieser historische Umstand motiviert mich, göttliche Mordbefehle zu verweigern. Es ist meine Selbstachtung und mein Versuch, kohärent zu bleiben. Ich bestehe auf meinem Widerwillen gegen verbrämende Abschwächungen, die so tun, als sei der Gott der Bibel immer nur ‹lieb›. Könnte heute jemand wachen Sinns Christ werden, der einmal das ganze Alte Testament gelesen hat? Jeder Kirchenmann wird sich hüten, ihn mit dem Kapitel aus dem 1. Buch Samuel vertraut zu machen. Hier zeigt der ‹Gott der Väter› sein Gesicht. Es ist schrecklich. Um den Schock zu vermeiden, legt man es allegorisch aus. Oder sie fangen an, moralistisch zu salbadern, der Erzählung gehe es ja nur darum, willentlich-geistigen Gehorsam zu empfehlen. [28]
2) Die geschichtliche und denkerische Bedeutung des jüdischen Monotheismus ist schwer zu überschätzen. Es ergäbe ein einseitiges Bild dieses großen Gegenstands, wollte jemand den Gott der Juden und Christen nur nach seinem Befehl zur Bluttat Sauls bewerten. Daher wende ich mich, um den ‹Gott der Väter› besser
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