Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
Zustand des Exodustextes beklagt; eine höchst traurige, unbegreifliche Redaktion (habe ihn) ganz ungenießbar gemacht. Da gibt es Einsprengsel wie die folgende Passage: Gott will Moses, seinen soeben Beauftragten, plötzlich umbringen, vermutlich, weil der unbeschnitten ist:
Unterwegs am Rastplatz trat der Herr dem Moses entgegen und wollte ihn töten.
Zippora [die Frau des Moses] ergriff einen Feuerstein und schnitt ihrem Sohn die Vorhaut ab. Damit berührte sie die Beine des Moses und sagte: Ein Blutbräutigam bist du mir. Da ließ der Herr von ihm ab (4,24–26) .
Die Midianiterin Zippora hat demnach die Beschneidung entdeckt, die Gottes Strafe abwendet. Die Blutspur allein schon besänftigt den Zorn des Herrn. Er sieht Blut und ists zufrieden. Die Täuschung Gottes durch Zippora gelingt. Warum ist es das Blut des Kindes und nicht das des Vaters?
Auffällig ist die teilweise Ersetzung des Moses durch seinen Bruder Aaron, 4,13–16, als habe Gott sich nicht den richtigen Mann als Beauftragten ausgesucht. Aber es gibt größere Merkwürdigkeiten. Vor allem wird die berühmte Szene der Selbstbenennung Gottes zweimal erzählt:
Erstens: Exodus 3,1 bis 4,31, besonders 3,13–14,
zweitens: Exodus 6,2–13.
Die beiden Erzählungen differieren. Die erste Szene spielt außerhalb Ägyptens, die zweite in Ägypten. Es wird nicht erzählt, der Vorgang habe zweimal stattgefunden. In der zweiten Erzählung fehlt der Zauberstab. Korrigiert sie die erste Erzählung? Zog der Wunderstab die göttliche Befreiungstat zu sehr ins ägyptische Zauberwesen?
Exodus 6 erwähnt nicht den Gottesnamen ‹Ich bin da›, ‹ehje ’ascher ’ehje› von Exodus 3,14. Auch das ist eine Interpretation durch den Kontext: Dieser Name war nicht so wichtig. Der zweite Bericht erzählt, vor Moses habe der Gottesname anders geheißen, nämlich Elohim el Schaddai. Danach wäre Moses der Entdecker des Namens ‹Jahweh›.
4) Der Text über die Berufung des Moses vereinigt verschiedenartige Erzählungen aus verschiedenen Zeitabschnitten. Bei dieser Ausgangslage verlangen wir von ihm keine exakten geographischen oder historischen Daten. Nicht einmal der Berg Sinai läßt sich mit Sicherheit verorten. Zwar gibt es die Halbinsel Sinai, und auf dieser gibt es mehrere Berge, sogar solche von beträchtlicher Höhe, und seit dem 4. Jahrhundert hat das Mönchs- und Wallfahrtswesen heilige Punkte markiert, aber ein Kenner wie Rudolf Smend resümiert die neueren Forschungen: «Im Falle des Sinai läßt sich gar nichts beweisen.» Wir wissen nicht einmal, wo er liegt.
Noch schwieriger ist es, dem Buch Exodus historisch Verläßliches über Moses und den Auszug aus Ägypten zu entnehmen. Schon Goethe hatte seine Zweifel, wieso die große Heeresmasse – 600 000 Soldaten mit Kind und Kegel – 40 Jahre gebraucht habe für eine Strecke, die in zwei Jahren zu bewältigen gewesen wäre. Moderne Historiker haben die prinzipielle Schwierigkeit: Das Zweite Buch Mose, besteht aus Texten verschiedener Jahrhunderte, aber was sie erzählen, liegt allen seinen Bestandteilen etwa ein halbes Jahrtausend voraus. Wir haben Erzählungen, nicht die Ereignisse. Diese Erzählungen haben Religion und Alltagsleben Israels geprägt; sie haben ‹Israel› geschaffen und projizieren es in die Moseszeit, als sei es damals schon die Einheit gewesen, die es erst später in Kanaan werden konnte. Keine außerbiblische Quelle berichtet so offensichtliche Vorgänge wie den Auszug eines ganzen Volks, die schrecklichen zehn Plagen und die militärische Niederlage Pharaos. Angaben über die Zahl der Juden und der Jahre sind unzuverlässig. Die biblischen Texte erfinden eine israelische Kontinuität über Jahrhunderte hinweg. Sie setzen den Bundesschluß mit Jahweh an den Anfang und machen die Gegenwart zum göttlichen Zielpunkt. Sie zeichnen einen Gott, der nicht einfach vorhanden war. Der frühere Berg- und Wettergott entscheidet sich für Israel und fordert dafür eifersüchtig Exklusivität.
Das Bild, das die Berichte von Moses malen, hat die historische Forschung nicht bestätigt. Der Auszug eines ganzen Volks aus Ägypten ist wie die Überreichung der Tafeln mit den zehn Geboten Erzählstoff späterer Zeit. Die Zeit der Abfassung variiert für die einzelnen Textteile, liegt aber in keinen Fall vor dem 8. Jahrhundert vor Christus, während der Auszug aus Ägypten aufs Ende des zweiten Jahrtausends datiert wird. Nur wenige Angaben über Moses gelten als historisch: Sein Name
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