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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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eine kontingente Tradition. Damit geriet der Glaube ins Bodenlose; er war nicht mehr in Sein und Kosmos und Vernunft begründet. Er verlor den allgemeinsten Grund von Glaubwürdigkeit. Daher die verzweifelten Neuversuche und die haltlosen Sprüche vom Glauben als Abenteuer und Sprung. Augustin und Thomas hatten ihren Glauben in den Bedingungen der antiken Vernunft implantiert, ohne ihn mit diesen zu verwechseln, Augustin in der neuplatonischen, Thomas mehr in der aristotelischen Philosophie. Diese Absicherungen sind in einem langen Prozeß weggebrochen; seitdem steht der christliche Glaube unbehütet da. Er muß sich selbst tragen oder von Gottes Gnade tragen lassen. Die Heteronomie nimmt zu; er wird defensiv und der Tendenz nach anti-intellektuell und anti-kulturell. Die alte Vernunftbasis ist verschwunden; seine Prediger feiern diese Situation als den Sieg der christlichen Paradoxie oder betreiben die bloß rhetorische Anpreisung der Vernünftigkeit des Glaubens. Diese gibt es nicht mehr.
    Thomas ergänzte sein Hauptargument zweifach: Erstens wollte er zeigen, daß Gott nicht nur unbestimmte Erstursache, sondern daß er das Beste sei: Wenn wir ‹gut› sagen und besser, dachte er, müssen wir auch das Optimum denken, und das sei Gott. Das Argument des Thomas war diesmal: Wir bringen, wenn wir ein Ding ‹gut› und ein anderes ‹besser› nennen, diese Bewertungen auf einer Skala an, an deren Spitze das Vollkommenste steht. Wir könnten nicht ‹gut› sagen, ohne das Beste zu kennen.
    Dieses Argument ist, historisch gesehen, verkümmertes platonisches Denken. Schlechterdings einleuchtend ist es nicht: Wenn jemand sagt, eine Aprikose sei besser als ein Apfel oder ein Citroën sei besser als ein Mercedes, kommt er ohne das höchste Gut aus. Schon gar nicht ergibt sich, daß die Spitze der Skala deren Ursache ist; sie ist das Produkt unserer Steigerung von gut über besser zu am besten. Eine reale Verursachung zeigt sich so nicht. Dem Argument lag die Überzeugung zugrunde, wenn wir ‹gut› von ‹besser› unterscheiden, setzten wir einen absoluten Maßstab für ‹gut› voraus; wir schöben probeweise vielerlei Gegenstände in den Lichtkegel des schlechthin Guten. ‹Gott› wäre dann die Idee des Guten an sich.
    Nehmen wir an, diese Argumente hätten jemanden überzeugt. Dann denkt er Gott als unverursachten Verursacher und das schlechthin Gute. Damit hätte er Gott zwar vornehmer und weniger rabiat gedacht als Bultmann, der ihn für die «Macht» hielt, «die in die letzte Einsamkeit stößt», aber er wüßte doch nur wenig von ihm. Er würde sich fragen: Denkt dieser Gott? Weiß er etwas von mir? Kümmert er sich um uns? Ist er Intellekt, Geist? Oder ‹Liebe›? Von ‹Person› war gar nicht die Rede, noch weniger von drei Personen. Daß der Gott der Philosophen denkt , das wollte Thomas durch ein weiteres Argument beweisen. Es stammt ebensowenig von Theologen wie die zuvor genannten. Diesmal entnahm er es der stoischen Tradition. Es stützt sich auf die Zweckursache. Im nächsten Kapitel sehe ich es mir näher an. Doch zuvor noch folgende kurze Überlegung:
    Wer Argumente vorträgt für oder gegen die Existenz Gottes, sagt in der Regel, was er unter dem Wort ‹Gott› versteht. Insofern geht es nicht ohne eine Definition, die der Klärung der Wortbedeutung dient. Wenn das Argument gelungen ist, kann sein Verteidiger am Ende behaupten: Es gibt zumindest ein Wesen von der zuvor definierten Art wirklich. Auch wenn er dieses Wesen als unendlich bestimmt hat, hat seine Definition als Namenserklärung eine begrenzte Funktion. Wie aber, wenn ‹Gott› ein ‹Gegenstand› wäre, zu dessen Name seiner Natur nach kein ‹Gegenstand› als Bezugspunkt möglich wäre? Dann könnten wir zwischen Gottes Existenz und seiner Nicht-Existenz nicht unterscheiden. Dann gälte der schon zitierte alte Spruch: Wer Gott zu erkennen sucht und glaubt, etwas gefunden zu haben, hat gewiß nicht Gott gefunden.
    Aber wie sollen wir denken, ohne ‹etwas› zu denken? ‹Sagen› heißt ‹etwas sagen›.
    Wer trotzdem weiter über ihn spräche, wer gar dicke Bände einer Gotteslehre drucken ließe, wirkte lächerlich. Wovon man nicht reden kann, davon muß man schweigen.
    3.  Der Gott der Väter
Moses sagte zu ihnen: Warum habt ihr ihre Frauen am Leben gelassen? … Nun bringt alle männlichen Kinder um und ebenso alle Frauen, die schon mit einem Mann geschlafen haben. Aber alle weiblichen Kinder und die Frauen, die noch nicht

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