Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
verursacht,
aber diese Reihe kann nicht unendlich sein,
also muß es eine erste Ursache ( causa ) geben,
die nicht verursacht ist,
diese nennen alle ( omnes ) ‹Gott›.
Damit wird die Struktur des Gottesbeweises durchsichtig:
An seinem Ende steht als Ergebnis: Gott ist. Er ist als der nicht-verursachte Allesverursacher. Daß buchstäblich ‹alle› Gott so definieren, stand weder 1270 noch heute fest. Daß diese Argumentation nicht den Gott der Christen erreicht, war auch Thomas klar; sie sollte nicht zum Glauben führen, sondern eine allgemeine Prämisse des Glaubens sichern. Thomas verdeutlicht die folgenden Voraussetzungen, die er macht:
Das Kausalprinzip: Jede Veränderung setzt eine Ursache voraus,
eine unendliche Ursachenreihe ist theoretisch ausgeschlossen.
Gott geht aus diesem Beweis hervor als die unverursachte Erstursache.
Jeder dieser drei Punkte wirft philosophische Probleme auf, die Thomas nicht nennt: Woher weiß er, daß alles , was verursacht wird, von einem anderen bewirkt wird? Folgt dies aus der Definition des Verursachens oder weiß er das aus Erfahrungen? Hat er es definitorisch festgesetzt, folgt daraus nichts für die Realität, sondern es wäre nur eine Denkregel, kein Seinsgesetz. Wenn er das aus der Erfahrung zu wissen behauptet, dann fragt sich, wieviele Erfahrungen jemand machen muß, damit er weiß , daß alles von einem anderen bewirkt wird? Keine Erfahrung ergibt den Allcharakter seiner Aussage, schlechthin jede Veränderung habe eine Ursache.
Warum soll die Reihe der Ursachen nicht ins Unendliche weitergehen? Woher weiß er das? Geht sie vielleicht nicht doch ins Unendliche? Thomas begründet diese Vorschrift damit, daß es sonst kein Erstverursachendes gäbe. Aber dies soll doch erst das Resultat des Arguments sein. Er verwendet es schon innerhalb des Beweisgangs.
Wieso wird die Reihe der Verursachungen begreiflicher, wenn an ihrem Anfang ein Nichtverursachtes steht? Was genau denken wir, wenn wir eine nichtverursachte Erstursache denken? Das Argument beruft sich auf die Ausnahmslosigkeit des Kausalprinzips und macht dann für Gott die Ausnahme. Diese Ausnahmeexistenz ist rein negativ bestimmt: unverursacht. Wie können wir ihre Art aktiven Verursachens – das wäre die Erschaffung der Welt – begreiflich machen? Wir haben schon Probleme damit zu begreifen, wie die Sonne den Lehm erhärtet und den Schnee zum Schmelzen bringt. Eine unverursachte Ursache wäre so unbegreiflich wie eine unendliche Ursachenreihe.
Außerdem fragt sich, wie man causa bei Thomas übersetzen soll. Wäre nicht ‹Grund› besser als ‹Ursache›? ‹Ursache› klingt physikalisch, ‹Grund› eher metaphysisch. Aber verstehen wir das wirklich besser oder rücken wir damit das gutgeschliffene Argument nur ins Unbestimmte, in Rahners ‹Geheimnis›? Wir wollen doch aristotelisch die Welt erklären, hätte Thomas gesagt. Da können wir nicht mit ‹Geheimnis› anfangen. Und selbst wenn wir zustimmen, am Ende stehe das ‹Geheimnis›, müssen wir weiterdenken: Dann ist Gott das Unbestimmte, aber ihr sagt doch, dieser Gott habe uns mitgeteilt, daß er gut und väterlich sei. Ihr sagt gar, er sei Mensch geworden, dann hängt euer Glaube dem Unbestimmten konkrete Inhalte an: Das geht nicht recht zusammen.
Das Interessante an den alten Gottesbeweisen ist nicht, daß sie leicht zu kritisieren sind – seit dem 14. Jahrhundert, erst recht seit Hume und Kant sind sie oft kritisiert worden –, sondern daß sie das antik-mittelalterliche Konzept von Vernunft explizieren, das die Neuzeit – Suarez, Descartes, aber teilweise auch noch Kant – weiterentwickelt hat, bis es im 18. Jahrhundert definitiv in die Krise geriet. Das war eine historisch-relative Vernunft, die sich für universal gültig hielt. Sie forderte, die Welt müsse insgesamt von Vernunft bestimmt und durch Vernunft erfaßt sein; sie müsse unter dem Vorrang des Einen vor dem Vielen stehen; das Denkmodell des einen Trägers, Subjekt oder Substanz genannt, erlaube, die Welt und ihren Grund zu denken. Die Gottesbeweise sind eine Abbreviatur dieser Voraussetzungen. Die Theologen, die diese klassisch-antiken Argumente zu Vernunftvorbereitungen des Glaubens nutzten, fanden die Prämissen ihres Glaubens in der Vernunft und in dem von ihr konstruierten Kosmos. Sie konnten sagen, Gott sei das Sein und das Sein sei vernünftig, weil von Gott vorhergedacht. Spätestens im 18. Jahrhundert erwies sich dies als eine menschengemachte Setzung,
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