Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)
ist ägyptisch. Seine Heirat mit der Priestertochter aus dem Nachbarvolk der Midianiter dürfte wahrscheinlich sein; sie paßt nicht zu den nationalen Vorstellungen der späteren Zeit und wäre dann kaum erfunden worden. [30] Das ist wenig an Gewißheit; es ist fast nichts im Vergleich zum Heros Moses der biblischen Texte. Auch archäologische Untersuchungen waren unvereinbar mit den Erzählungen vom Auszug und von der Eroberung Kanaans. Jericho besaß gar keine Mauern zu der Zeit, als die Trompeten Josuas sie zum Einsturz gebracht haben sollen. [31]
5) Die historische Kritik bringt nicht die zentrale Bedeutung der Gotteskonzeption des Exodusbuchs zum Verschwinden; sie insistiert sogar auf der geschichtlichen und politischen Wirkung dieser Gründungserzählung für die Bildung des israelischen Volkes und Staates. Auch der Gott der Christen ist ohne Jahweh nicht zu verstehen. Philosophie und Theologie des lateinischen Westens haben mit ihm gerungen, besonders durch Fortbildung der ontologischen Interpretation des Gottesnamens aus Exodus 3,14. Aber die Stelle ist zu knapp und vieldeutig; die Füllung des Wortes ‹Gott› mit dem Konzept von ‹Sein› ist nicht biblisch, nicht alte Offenbarung, sondern späte Interpretation.
Joseph Ratzinger widmet in seiner Einführung in das Christentum der Erzählung vom Dornbusch nicht weniger als 30 Seiten, in der Erstausgabe die Seiten 84 bis 114. Er will «dem tatsächlichen exegetischen Bef- und nachgehen» (87), handle es sich doch um «den zentralen Text alttestamentlichen Gottesverständnisses» (84). Niemand könne zwar noch den genauen Sinn der Formel von Exodus 3,14 ermitteln (93), und neuere Forscher verstünden den Gottesnamen als ‹helfende Nähe›, nicht mehr als ‹das Sein selbst›. Dieses Zugeständnis bleibt bei Ratzinger folgenlos. Er läßt sich durch die erwähnte neuere Forschung nicht stören und redet weiter davon, hier werde der Gedanke des Seins «als Deutung Gottes ins Spiel gebracht» (85). Gleichzeitig werde Gott als Gott der Väter gedacht. Bewundernd ruft er aus, hier werde «Glaube mit Ontologie vermählt» (86). Damit sei die Vereinigung des christlichen Gottes mit dem Gott der Philosophen vorbereitet. Der entscheidende Schritt sei: «Es ist der Gott, der als der persönlich Seiende mit dem Menschen als Menschen zu tun hat» (89). Die Auslegung des Gottesnamens durch das Wörtchen ‹Sein› schaffe «eine Art negativer Theologie» (94). Sie rücke Gott als «das ganz andere» in «bleibendes Unbekanntsein und Unbenanntsein» (95). Ratzinger warnt davor, die Dornbuscherzählung im biblischen Text zu isolieren (96), versteht dies aber nicht als Aufforderung, das Buch Exodus zu analysieren, sondern als die Erlaubnis, Exodus 3,14 aus Deuterojesaia, aus Johannesevangelium und Johannesapokalypse zu interpretieren (97). Die Dornbuschgeschichte bekomme erst durch Kapitel 17 des Johannesevangeliums ihren «wahren Sinn» (98). Für die historisch-kritische Lesart hat sie in sich ihren «wahren Sinn». Ratzinger wählt das entgegengesetzte unmethodische Vorgehen. Das hat Folgen:
Er hält an der Gleichsetzung Gottes mit dem «Sein selbst» fest und baut sie trotz seiner vorangehenden Einschränkungen weiter aus: Der Gottesgedanke werde unter das Licht des Seinsgedankens gestellt (98), jubelt Ratzinger. Gott erscheine als das Sein für Menschen. Aber diese Formel täuscht, denn dieser Gott ist ein Gott nur für Israel. Ratzinger verliert kein Wort über Gottes bösartige Feindseligkeit gegenüber dem Pharao; den Zusammenhang mit den zehn Plagen blendet er aus. Er rühmt dem Buch Exodus alles nach, was er für schön und tiefsinnig hält. Es leiste die Überwindung der Mythen. Indem Jahweh ‹auf den Seinsgedanken hin› interpretiert werde, bringe der Text «die Option für den Logos gegen jede Art von Mythos, die definitive Entmythologisierung der Welt und der Religion» (104). Aber loderte da nicht Feuer im Dornbusch, ohne ihn zu verbrennen? Stand da nichts von blutbeschmierten Beinen, die Moses vor dem tödlichen Zorn bewahrten? In Ratzingers ontologisierender Auslegung kommt das alles nicht vor. Er erwähnt weder den Zauberstab noch die Wunder der ägyptischen Zauberer. Bei ihm wird kein Holzstück zum Krokodil. Alles farbige, blutrünstige und abergläubige orientalische Leben bringt Ratzinger zum Verschwinden. Er ertränkt das Original-Orientalische in seiner geschichtsphilosophischen Spekulation über die Bibel als
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