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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Endzweck der Natur. Zeiträume wie 4 Milliarden Jahre Erdgeschichte veränderten nicht nur quantitativ das Bild der Natur. Sie bekam eine Entwicklung. Was als fest geordnet vor uns steht, wurde als Produkt begriffen, das kausal begründet, aber nicht teleologisch vorprogrammiert war. Heute sind Evolutionstheoretiker besorgt, Laien könnten die Evolution, die das teleologische Modell ablöst, mißverstehen als einlinige, auf den jetzigen Status quo bezogene Zweckveranstaltung. So sehr ist das populäre Denken an Zweckhaftigkeit gewöhnt. Es kann auch keine Rede davon sein, das Zweckdenken abzuschaffen. Wir haben nur zu lernen, daß es unsere Sichtweise einiger, nicht aller Dinge ist. Wir können nicht sagen, es habe am Ursprung der Welt gestanden.

    Ich schließe meine abgekürzte Untersuchung der Gottesbeweise hiermit ab. Ich weiß, daß sie viele weitere Fragen aufwerfen. Sie laden ein zu Spekulationen, auch zu Tüfteleien. Sie sind philosophische Übungsstücke. Als solche behalten sie ihr Interesse. Sie gehören in theoretische Gesamtgebilde, die gelernte Ideenhistoriker rekonstruieren. Sie kommen aus einer versunkenen Welt. Sie beantworten alle die philosophischen Fragen nicht, die ich angedeutet habe. Sie haben in der augenblicklichen intellektuellen Lage keine Bedeutung für den, der sich fragt, ob er Christ sein kann. Philosophen und Ideenhistoriker befassen sich mit ihnen; das ist ihr Beruf. Sie wissen, daß sie verwachsenes Gelände betreten, von dem noch keiner mit der Trophäe eines eindeutig gewissen Resultats zurückgekehrt ist. Es finden sich kaum noch Christen, die sie verteidigen. Historisch ungebildete Theologen verwerfen sie als Teufelswerk. Sie halten es für Fortschritt, diesen Ballast über Bord geworfen zu haben. Sie beseitigen dieses Wissen, dessen antike Herkunft sie kaum kennen, um für ihren Glauben Platz zu bekommen. Ihr trutziger Glaube zerreißt die Nabelschnur, die ihn bis etwa 1700 mit der antiken Philosophie und mit der allgemein menschlichen Vernunft verbunden hatte. Ihr Glaube dünkt sich rein und radikal, ist aber das Ergebnis des historischen Zersetzungsprozesses, der objektiv den christlichen Glauben verändert. Auch wer die alten Formeln nachspricht, setzt sie ungewollt in einem veränderten Gesamtrahmen. Seine Position wurde, welthistorisch rückblickend gesehen, apart. Die Gottesbeweise waren nicht dafür erfunden und waren nicht geeignet, zum Glauben hinzuführen, aber sie kreierten für ihn einen günstigen Anschein. Sie erweckten den Eindruck, der christliche Glaube verlängere nur ihre Gedankenlinie von der unverursachten Ursache über das höchste Gute zum zwecksetzenden Denken und zur Sorge für uns. Sie dachten die reale Welt – ihre Prozesse und ihre Wesensordnung – als Erweis Gottes und interpretierten von daher den Glauben. Sie veränderten damit auch diesen; sie ent-orientalisierten ihn. Sie hielten die Glaubensinhalte in Verbindung zum allgemeinen Wissen; sie lenkten den Blick auf die gesamte Natur, nicht auf das halbverzweifelnde Innenleben einiger Gläubiger, die im Halbdunkel nach Geheimnissen tasten oder sich in ‹letzte Einsamkeit› gestoßen wähnen. Gleichzeitig wehren Gläubige sich gegen den Vorwurf, sie dächten irrational. Ich erhebe diesen Vorwurf nicht, ich stelle nur fest: Der christliche Glaube hat aus intellektuellen Entwicklungen, die nicht zurückzunehmen sind, den antik-philosophischen und damit den allgemein-vernünftigen Untergrund verloren, den er bis 1800 und in intellektuell isolierten Provinzen bis 1960 besaß. Die Verkümmerung der Gottesbeweise und erst recht deren vehemente Verwerfung durch Theologen ist angesichts der Geschichte des älteren Christentums ein Schrei der Verzweiflung: Der Gläubige hat nur noch seinen Glauben. Er rühmt dessen Reinheit und Radikalität; er versetzt sich im Bewußtsein der Überlegenheit in eine Randlage. Einen weiteren Rationalitätsverlust erlitt er bei Fragen nach dem Verhältnis Gottes zum Bösen in der Welt.
    2.  Das Böse
    Nehmen wir einmal an, die erwähnten Gottesbeweise hätten trotz einiger Schwächen das Ziel ihrer Argumentation erreicht. Dann wüßten wir, daß das höchste Gut als oberste Intelligenz die Welt verursacht hat. Sehen wir einmal davon ab, daß noch niemand die Art dieser Verursachung hat begreiflich machen können. Immerhin stünde die Welt als das Werk eines guten und weisen Urhebers vor unseren Augen. Wir wüßten, Gott habe die Welt aufgrund von Überlegung

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