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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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Einheit von Ontologie und Historizität. Er macht die Parteinahme Gottes für sein Volk, die Trug und Gewalt einschließt, zur Liebe zum Menschen als Menschen. Dabei kennt der Text zwar die Bündnistreue Gottes zu Israel, aber nicht den Menschen als Menschen. Ratzinger überzieht Exodus  3,14 mit den Kategorien von Karl Löwith und Karl Rahner, von Karl Barth, Etienne Gilson und Martin Heidegger. Seine rationalistische Reduktion tilgt das Mythische, aber erwähnt nicht einmal die zweifache Fassung der Dornbuschgeschichte. Alles Blutige wie die Einlage über die Beschneidung bleibt draußen, erst recht die Ermordung der Erstgeburt und die Erlaubnis, das Gold der Ägypter zu stehlen. Diese Lebensbezüge des Gottes des Exodus sind gestrichen; es bleibt die leere Erhabenheit des ganz Anderen und das damit unvereinbare Pathos eines christlichen Humanismus, der hier die Botschaft findet, das Sein sei Person und die Person sei das Sein.

Kapitel V
    … und die Welt
    1.  Zweckgemäß?
    Nachdem Thomas von Aquino dargelegt hatte, Gott habe die Welt begründet, mußte er als nächsten Schritt beweisen, daß der Allverursacher denkt . Er verströme nicht bewußtlos die Welt. Dazu griff Thomas das teleologische Argument auf, das die antiken Stoiker breitgetreten hatten. Es ging so:
    Wir sehen, daß Naturvorgänge zweckmäßig verlaufen. Der Samen hat den Zweck, eine vollständige Pflanze zu erzeugen. Und das erreichen Samen nicht einmal und gelegentlich, sondern regelmäßig und oft, wenn auch nicht ausnahmslos. Die Pflanze, die den Samen hervorbringt, erzeugt nicht die Zweckbezogenheit des Samens; sie ist ihr vorgegeben. Sie muß, sagt man, einer bewußten Absicht entstammen. Also steht am Ursprung ein ursprüngliches Erkennen, das alle Naturdinge auf ihren Zweck hinordnet. Und das nennen wir Gott.
    Tatsächlich kann ich den Samen einer Tomatenpflanze nicht anders verstehen als daß er dazu da sei, eine neue Tomatenpflanze zu ermöglichen. Meistens, nicht immer, geht aus ihm bei guten Bedingungen eine Tomatenpflanze hervor. Aber das sehe ich ihm nicht an; ich denke es hinzu. Nur ein intelligentes Wesen kann A (Regen) und B (Pflanzenwuchs) koordinieren.
    Dieses Argument heißt ‹teleologisch› von telos , Ziel oder Zweck. Es setzt voraus, die Zweckbestimmung liege objektiv im Samen und alle Naturdinge besäßen derart innewohnend ihre Zweckbestimmung, omnes res naturales ordinantur ad finem . Nur denkende Wesen können sinnvolle Zweckbeziehungen begründen, folglich ergebe die Überlegung das willkommene Resultat, daß Gott denkt. Er hat die ganze Natur zweckmäßig eingerichtet. Er hat Regen und Pflanzenwuchs final aufeinander abgestimmt.
    Menschen sahen das früher so. Gott habe die Flüsse Täler bilden lassen, damit die Menschen Städte an Flußufern gründen konnten. Er habe den Regen erdacht, damit Pflanzen wachsen. Aber Pflanzen wachsen, weil es geregnet hat. Das ist die kausale Erklärung, die sich gegenüber der teleologischen durchgesetzt hat. Lange Jahrhunderte hat die teleologische Sichtweise die erfolgreichste Naturforschung, nämlich die kausale Untersuchung, verhindert oder erschwert.
    Zur Argumentation aus der Zweckmäßigkeit der Natur gehörte die Annahme, das Anorganische sei für das Organische bestimmt, die Pflanzen für die Tiere, die Tiere für die Menschen. Daß Pflanzen zu ihrer Umwelt passen und Organismen zweckmäßig konstruiert sind – oft, nicht ausnahmslos –, das machte das teleologische Denken seit der Spätantike plausibel. Es schien unbestreitbar und galt als die natürlichste Begründung des Gottesbewußtseins.
    Aber dann kam es zu seinem Abbau. Die kausalen Erklärungen waren ergebnisreich und verdrängten die finalen. Diese beruhten auf der Annahme der Konstanz der Arten; sie setzten ewige Artengrenzen voraus, die Gottes Denken bei der Erschaffung festgesetzt habe. Die Wesen der Dinge waren hierarchisch angeordnet; sie kamen in Definitionen zum Ausdruck, die bleibendes metaphysisches Wissen ermöglichten. Es gab die Wesensordnung schon immer. Sie verdankte alles Gott und nichts dem Naturprozeß. Die naiv-realistische Teleologie setzte – anders als die original-aristotelische – die kurze Zeitspanne von etwa 5000 Jahren der Existenz der Natur voraus. Die Stufenordnung der Natur bewies die Leistung des intelligenten Schöpfers. Lange, bis mindestens zum späten Schelling, galt der Mensch als Zweck der gesamten Naturentwicklung. Erst die Geologie erschütterte seine Stellung als

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