Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
würde erst dann in der Lage sein, mit Credit Default Swaps wirklich Geld zu verdienen, wenn es gelang, den Prozess zu rationalisieren und für den Massenmarkt umzubauen. In dem oben beschriebenenprivaten Beispiel ist die persönliche Seite der Angelegenheit ein notwendiger Teil des Geschäfts: Sie kennen Ihre Nachbarn und können in etwa einschätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie das Geld zurückzahlen, und daher auch, wie sicher Ihre Investition ist. Aber um aus einem derartigen Geschäft wirklich Geld zu schlagen, wäre es sehr viel lukrativer, wenn man dieses Stadium einfach überspringen könnte – diesen mühsamen Prozess, bei dem man jeden Fall einzeln prüfen und den Leuten auf den Zahn fühlen muss, um einzuschätzen, wie hoch das Risiko eines Zahlungsausfalls ist.
Die Erfindung, die all das möglich machte, war die »Securitization«, die wertpapiermäßige Unterlegung bzw. Verbriefung von Verbindlichkeiten. Das Problem mit den Credit Default Swaps unterschied sich nicht von dem Problem, das auch allen anderen Bankgeschäften anhaftet und das immer und überall auftaucht: das Risiko nämlich, dass die Person, der man Geld leiht, nicht in der Lage sein wird, es auch zurückzuzahlen. Jeder Kredit ist ein Fall für sich, der gründlich geprüft werden muss. Deswegen ist es auch so schwierig, diesen Prozess für den Massenmarkt umzustrukturieren. Das EBRD-Exxon-Geschäft erforderte zum Beispiel viele Monate intensiver Arbeit (und der erste Swap, der Tausch zwischen IBM und Weltbank, hatte ganze zwei Jahre in Anspruch genommen). Bei der Securitization ging man nun wie folgt vor: Man bündelte mehrere Kredite und verließ sich dann darauf, dass die große Anzahl, kombiniert mit dem Gesetz, dass der Durchschnitt sich behauptet, das Risiko eindämmen würde. Selbst wenn einige Kredite platzten, würden es doch die meisten anderen nichttun und so den Kapitalstrom gewährleisten. Auf diese Weise wurde das Risiko eines Zahlungsausfalls verteilt und minimiert. Es würde also zwei Einnahmequellen geben: eine aus dem Verkauf der Kredite und eine zweite aus den regelmäßigen Rückzahlungen. Und dann hatte jemand noch eine Idee: Man sollte die Wertpapiere in unterschiedliche Risikostufen aufteilen und entsprechend verkaufen. Dadurchwürden sich riskante und weniger riskante Kredit-Tranchen ergeben, für die natürlich auch unterschiedliche Zinssätze anfielen, je nachdem, wie hoch das Risiko war. Diese Vorgehensweise nannte man »Tranchierung«. Einige Kunden würden die Schuldscheine mit dem höheren Zinssatz und logischerweise auch dem höheren Risiko kaufen wollen; andere würden die sichereren, aber daher auch weniger lukrativen Papiere bevorzugen. Man war jetzt in der Lage, den Kunden genau den Grad an Risiko zu bieten, den sie wollten, auf sie persönlich zugeschnitten. All diese Ideen lagen im Bankwesen schon in irgendeiner Form in der Luft. Bill Demchak von J. P. Morgan fasste sie zusammen, um wertpapiermäßig unterlegte Bündel von Credit Default Swaps zu erstellen – also Versicherungsbündel gegen Kreditzahlungsausfall tzahluusfall , und verkaufte diese an Investoren. Die Investoren erhielten den Kapitalfluss entsprechend der Risikostufe, die sie gewählt hatten, die Bank hatte eine Versicherung für die Kredite und bekam zusätzlich die Gebühren für den Geschäftsabschluss.
Es gab jedoch noch eine letzte Komponente bei der Erfindung des J.-P.-Morgan-Teams. Sie gründeten ein Offshore-Unternehmen – also eine Briefkastenfirma –, das sie als Special Purpose Vehicle (Zweckgesellschaft), abgekürzt SPV, bezeichneten. Dieses Unternehmen sollte dieselbe Rolle übernehmen, die beim ersten Credit Default Swap die EBRD gespielt hatte. Die Zweckgesellschaft würde 9,7 Milliarden Dollar an Risiken von J. P. Morgan übernehmen und diese Risiken dann an Investoren weiterverkaufen, in Form von Wertpapieren, die unterschiedliche Zinsraten abwarfen. Das Zahlungsausfallsrisiko war also nun an die SPV verkauft, dann gebündelt, in eine Palettevon Wertpapieren aufgeteilt und an Investoren weiterverkauft worden. Warum machten sich die Banken die Mühe, diese Zweckgesellschaften einzurichten? Dafür gab es zwei Gründe. Zum einen wollte man die Swaps aus der Bilanzaufstellung der Bank heraushalten. Je mehr Aktiva die Banken im Verhältnis zu ihrem Eigenkapital in ihrer Bilanz stehen haben, desto höher wird ihre Leverage Ratio. Wenn diese Aktiva aberin der Bilanz nicht in Erscheinung traten, würde es so
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