Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
aussehen, als habe die Bank eine niedrigere Leverage Ratio, und das Ganze machte einen viel sichereren Eindruck. Was die Aufsichtsbehörden und Investoren nicht wussten, konnte ihnen auch keine Kopfschmerzen bereiten. Und darüber hinaus waren diese Zweckgesellschaften an Orten wie den Kaimaninseln, den Bermudas oder Bahamas oder den British Virgin Islands gegründet worden – also »offshore« –, weil man damit schlicht und einfach Steuerzahlungen vermeiden konnte. Das Beste an der Sache war, dass gemäß den Berechnungen von J. P. Morgan die zugrunde liegenden Kredite so sicher waren, dass sie nur für 700 Millionen Dollar Versicherungen verkaufen mussten, um ein Kreditvolumen von 9,7 Milliarden abzudecken. Die Agentur Moody’s zierte sich eine Weile, stimmte dieser Ansicht dann aber doch zu. Und siehe da: Eine ganz neue Ära im Bankwesen war angebrochen. Das Unternehmen J. P. Morgan hatte eine Möglichkeit entdeckt, mit der es die Risiken aus seiner Buchhaltung einfach ausradieren, gleichzeitig aus diesen Risiken sogar noch Profit schlagen und das Kapital für andere Darlehen loseisen konnte. Es war ein ökonomisches Wunderwerk. Einzig der Name der Angelegenheit war unschön. Man hatte sie BISTRO genannt – eine Abkürzung für Broad Index Secured Trust Offering (was übersetzt in etwa »Gesichertes Trust-Angebot mit weitgefasstem Index« heißen könnte). Dadurch klang das neue, auf so überaus geniale Weise zusammengebraute Finanzinstrument wie ein Ort, an dem man sich ein Steak mit Pommes Frites bestellen konnte. An den Märkten setzte sich eine ganz andere Bezeichnung durch, nämlich »Synthetic Collateralized Debt Obligations« (synthetische verbriefte Kreditanleihen).
Um die Übersicht darüber zu behalten, in welche Richtung wir uns mit diesen neuen Finanzinstrumenten bewegen, sei noch einmal das Beispiel der Privathaushalte herangezogen. Erinnern wir uns an das Arrangement, das Sie mit den Schmidts getroffen haben, damit diese ihr Dachgeschoss ausbauen können, und das Sie dann mit Hilfe Ihrer anderen Nachbarn,der Schneiders, versichert haben. Dabei handelte es sich um einen geradlinigen Tausch – bzw. Swap – von Risiken. Das Geschäft verlief gut, aber jetzt denken Sie darüber nach, wie Sie das Konzept noch verbessern könnten, falls ein weiterer Nachbar Sie um Geld bittet. Denn Sie ärgern sich allmählich ein wenig darüber, dass durch das Darlehen Ihre gesamten Kapitalreserven von 100 000 Euro gebunden sind. Als eine andere Nachbarsfamilie, die Müllers, davon erfährt, dass Sie den Schmidts Geld geliehen haben, und Sie nun bittet, i mesun bitthr einen ähnlichen Kredit zu gewähren, können Sie nun mit einer etwas kreativeren Lösung aufwarten. Zum einen wissen Sie, dass das Geld, das Sie ausleihen, vollkommen sicher ist. Weil die Schmidts ihr Haus umbauen, dient das Kapital, das Sie ihnen geliehen haben, dazu, den Wert der Immobilie zu steigern, weshalb es in Ihren Augen keinerlei Risiko gibt. Also entschließen Sie sich nun, Ihre 100 000 Euro einfach an die Müllers weiterzuverleihen. Wo Sie dieses Geld nun auftreiben, ist dabei natürlich zweitrangig, denn Ihr Plan kann überhaupt nicht schiefgehen! Die Immobilienpreise schießen in Ihrer Gegend gerade in astronomische Höhen. Um Kapital braucht man sich keine Gedanken zu machen. Die 100 000 Euro stellen nicht das geringste Risiko dar. Was ist schon das Schlimmste, das passieren kann? Den Schmidts oder den Müllers könnte das Geld ausgehen. Es könnte alles schiefgehen und sie wären nicht mehr in der Lage, ihre Kredite zurückzuzahlen, und müssten schließlich sogar ihre Häuser verkaufen. In diesem Fall bekommen Sie aber trotzdem Ihre 100 000 Euro zurück. Das einzige Risiko besteht darin, dass Sie die 12 000 Euro Zinsen verlieren, die die Nachbarn Ihnen schulden – aber auch diesesRisiko verkaufen Sie an die Schneiders, also haben Sie das ebenfalls aus der Welt geschafft. Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende! Jetzt treten nämlich die Meyers, eine weitere Nachbarsfamilie, an Sie heran und wollen das gleiche Geschäft mit Ihnen abschließen. Die Meyers sind gewillt, Sie sind gewillt, die Schneiders sind gewillt, das einzige Problem ist nur, dass Ihnen die finanziellen Mittel ausgegangen sind,weil Sie Ihre 100 000 Euro schon an die Müllers ausgeliehen haben. Aber weil dieses Geld ja keinerlei Risiko unterliegt, spricht eigentlich nichts dagegen, es einfach noch einmal zu verleihen. Sie gründen also eine Firma, im
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