Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt
unkomplizierteren Umgang mit börsengehandelten Finanzderivaten … Mit diesen neuen Finanzinstrumenten … können wir jetzt besser zwischen Risiken differenzieren und sie auf Investoren verteilen, die in der Lage und auch willens sind, sie einzugehen.« 41
Im Grunde genommen hätten diese Worte genauso gut aus einem Computerprogramm stammen können, das man mit Alan Greenspans Ausdrucksweise gefüttert hat: Freier Markt ist gut. Vertraue freiem Markt. Noch mehr freier Markt. Wie so oft bei ideologisch eingeschworenen Anhängern des freien Marktes gewinnt man den Eindruck, dass Greenspan nicht einmal darüber nachdenkt, was er da gerade sagt: Er wirft einfach nur ein paar Argumente in den Raum, aus denen er schon lange im Voraus sein Fazit gezogen hat.
Die Banker hatten den großen Vorteil bei dieser Sache, dass die Aufsichtsbehörden keinerlei Ahnung hatten, worum es sich bei Derivaten überhaupt handelte und wie sie funktionierten. Die Vorstellung, man könne es den Banken erlauben, sich ganz allein durch Selbstregulierung und natürlich auch durch »Marktdisziplin« zu überwachen, hatte etwas Einlullendes und Verführerisches. Bei ihrer Werbung für ein solches Vorgehen fanden die Banken also durchaus aufmerksame, um nicht zu sagen: dankbare Ohren. Die Kampagne hatte sogar eine so durchschlagende Wirkung, dass die Banken nicht einfach nur die Aufsichtsbehörden überzeugten, ihre Kontrollenzu unterlassen, nein, sie setzten noch einen drauf. Sie konnten den Kongress dazu bringen, ein Gesetz zu verabschieden, in dem eine Regulierung dieser Handelskategorie sage und schreibe verboten wurde. Im Jahr 2000 wurde der »Commodity Futures Modernization Act« erlassen (Gesetz zur Modernisierung des Warenterminhandels). Darin wurde unter anderem festgelegt, dass CDS-Papiere weder Terminkontrakte – also Futures – noch Optionen waren und somit nicht unter die entsprechende Regulierung fielen.
Darüber hinaus wurden in das Gesetz Klauseln eingebaut, die den Derivatehandel im Freiverkehr schützten – also die Art von Handel, die direkt zwischen zwei Geschäftspartnern und nicht über die Vermittlung einer Börse abgeschlossen wurde. Der große Nachteil des Freiverkehrs: Solche Geschäftsabschlüsse laufen ohne jede Kontrolle von außen ab und niemand weiß, welche Risiken dabei bestehen und wohin sich diese Risiken womöglich überall ausbreiten. Doch für die Banken waren sie sehr viel angenehmer und gingen auch viel schneller, und das war alles, was hier zählte.Dies gehört auf jeden Fall zu den Bereichen, die unbedingt neu reguliert werden müssen. Das Finanzsystem hat die Kontrolle und Aufsicht bitter nötig, die der CDS-Handel an einer geregelten Börse mit sich brächte. Man beachte: Das Gesetz aus dem Jahr 2000 – das darüber hinaus noch eine Klausel enthielt, die den Energieversorgungs-Derivatehandel der Firma Enron von jeglicher gesetzlichen Regelung ausnahm, bekannt geworden als »Enron loophole« (das Enron-Schlupfloch) – wurde sowohl vom Senat als auch vom Repräsentantenhaus ohne jede Debatte durchgewunken.
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Diese Entwicklung – wie auch die Pr Ce a="coblematik des Derivatehandels ganz allgemein – gehört zu den Bereichen, wo ganz eindeutig etwas zum Himmel stank, und zwar so stark, dass wir uns unweigerlich fragen, was gewesen wäre, wenn alles anders gekommen wäre. Was wäre gewesen, wenn man einen anderen Weg eingeschlagen hätte, der uns zu anderen Verhältnissen geführthätte als zu den heutigen? Warum sollten Derivate überhaupt im Freiverkehr gehandelt werden? Selbst ein Laie kann sofort erkennen, wie unglaublich riskant es ist, wenn Geschäfte, bei denen solch riesige Summen im Spiel sind, einfach so durch das System purzeln, ohne dass irgendjemand sie reguliert oder ohne dass sie überhaupt von irgendeiner zentralen Behörde erfasst werden. Wie um alles in der Welt sind wir in eine solche Situation geraten, wo jeder tun und lassen kann, was er will? Zur Beantwortung dieser Frage könnten wir zum Beispiel in das Jahr 1982 zurückgehen, als der »Garn-St Germain Depository Institutions Act« (das Garn-St-Germain-Gesetz zu depotführenden Instituten) erlassen wurde. Als Ronald Reagan dieses Gesetz unterschrieb, verkündete er, es sei »die wichtigste Gesetzgebung für Finanzinstitute, die es in den letzten 50 Jahren gegeben hat. Es bietet eine langfristige Lösung für den in Schwierigkeiten geratenen Sparkassensektor«. Und er ließ seine Rede mit den Worten enden: »Alles in allem
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