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Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt

Titel: Warum jeder jedem etwas schuldet und keiner jemals etwas zurückzahlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lanchester
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Folgen für die Allgemeinheit hatte. Das schränkte die Freiheit der Banken sehr ein. Und diese Einschränkung war nicht etwa ein Nebenprodukt der Gesetzgebung; sie zielte vielmehr genau darauf ab. Deshalb ist es kaum verwunderlich, dass sich die Banken nie mit dieser Regelung anfreunden konnten. Als 1982 der lange Boom seinen Anfang nahm, geriet das Gesetz unter Beschuss von Seiten der Bankenlobby. Mit besonderem Nachdruck wurde dabei behauptet, das Gesetz benachteilige die Banken, weil sie mittlerweile mit einer Unmenge anderer, nicht als Banken zu bezeichnender Finanzinstitute konkurrieren mussten, die nicht denselben Regeln unterlagen wie sie.
    Ihr Argument war durchaus stichhaltig, aber sie zäumten das Pferd von hinten auf. Es stimmte schon, dass auf dem Finanzmarkt nun ein ziemliches Gedränge herrschte und dass die Mehrzahl der dort vertretenen Institute keine Banken im althergebrachten Sinne mehr waren. Die Banker schauten sich das an und kamen zu dem Schluss, es sei erforderlich, die gesetzliche Regulierung noch weiter zu reduzieren, damit die Banken – also die wahren, echten Banken – den Wettbewerb zu gleichen Bedingungen führen konnten wie die anderen intermediären Finanzinstitute. Rückblickend erkennt man, dass dies genau der falsche Schluss war: Es wäre im Gegenteil eine viel aktivere und aggressivere Regulierung erforderlich gewesen, um die Risiken und die Höhe der Leverage in allen intermediären Finanzinstituten (die ich von jetzt an einfach wieder nur »Banken« nennen werde) in Zaum zu halten. Aber die Banker kamen zum gegenteiligen Schluss, und somit auch die Gesetzgeber, die ihnen aus der Hand fraßen.
    Also wurde 1999 das Glass-Steagall-Gesetz abgeschafft, dank einer Gesetzesv Cneren.orlage dreier Republikaner, die auch vom US-Finanzminister Larry Summers unterstützt wurde. Nur acht Senatoren stimmten gegen die Vorlage, darunter auch Byron Dorgan, der damals sagte: »Dieser Gesetzentwurf erhöht meiner Ansicht nach die Wahrscheinlichkeit, dass die Steuerzahler in Zukunft enorme Summen für Bailouts aufbringen müssen.« Und als er ein Jahrzehnt später rückblickend dieerstaunliche Treffsicherheit seiner Vorhersage kommentierte, stellte er fest: »So ist es bei uns Usus: Die Wall Street hat immer recht.« Der Wildwuchs der Banken, die eigentlich gar keine Banken waren, wurde immer stärker. Tim Geithner, der Finanzminister der Regierung Obama, wies darauf hin, dass schon im Jahr 2007 mehr als die Hälfte des amerikanischen Bankwesens von einem »parallel arbeitenden Finanzsystem« geführt wurde, das überwiegend aus nicht regulierten Instituten bestand. Diese Institute waren, so Geithner, »besonders anfällig für einen klassischen Bank-Run, dem sie im Ernstfall aber schutzlos ausgesetzt waren. Bei ihnen gab es keinerlei Sicherheitsnetzwie zum Beispiel eine Einlagenversicherung, die das Bankwesen wegen solcher Risiken ins Leben gerufen hatte.« 43
    Der »Usus«, der das Bankwesen an diesen Punkt gebracht hatte, ging nicht allein auf eine einzige Partei zurück oder auf einen bestimmten Teil der politischen Elite: Es handelte sich dabei ganz einfach um die traditionellen Überzeugungen der Leute, die an der Macht waren. Aus diesem Grund darf man auch Alan Greenspan nicht allein für die Finanzkrise verantwortlich machen, auch wenn ihm einige ganz spezifische Fehler anzulasten sind. Das gesamte Meinungsklima in der Welt der Mächtigen sprach sich zugunsten von mehr Laissez-faire, Deregulierungen und »Innovationen« aus. Wenn also Greenspan nicht diese Ideologie vertreten und die entsprechenden politischen Entscheidungen durchgesetzt hätte, wenn er nicht als Dank dafür mit der Liebe und dem Vertrauen der Märkte überschüttet worden wäre, denen er seinerseits grenzenlose Liebe und Vertrauen entgegenbrachte, dann hätte das ein anderer getan. So war das System eben gestrickt.
    Ein großer Teil des Problems war auch, dass bereits bestehende Gesetze, die man hätte anwenden können, nicht eingesetzt wurden. Bei der Regulierung des Finanzmarkts gibt es zwei Aspekte, nämlich die Gesetze selbst und die Art, wie man sie einsetzt. Nennen wir es das Gerüst auf der einen und das Regime auf der anderen Seite. In den Vereinigten Staaten wurde das Gerüst durch Jahrzehnte der Deregulierung unterhöhlt und es war inzwischen eine derart verwirrende Flickschusterei entstanden, dass das Ganze eigentlich vollkommen irrsinnig war. So stehen zum Beispiel die US-Banken unter der Aufsicht folgender

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