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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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die das moderne erotische Begehren zu einer mit Aporien befrachteten Angelegenheit macht. Judith Butler führt aus:
     
    Das Begehren scheitert somit an seinen Widersprüchen und wird zu einer mit sich selbst entzweiten Leidenschaft. In seinem Bemühen, deckungsgleich mit der Welt zu werden, ein autonomes Sein, das überall in der Welt sich selbst wiederentdeckt, muß das Selbstbewußtsein erfahren, daß in seine eigene Identität als begehrendes Sein die Notwendigkeit eingeschrieben ist, von einem anderen in Anspruch genommen zu werden.  [60]
    Ein solche Inanspruchnahme durch eine andere Person ist voller Widersprüche, weil »wir uns zwischen einer ekstatischen und einer selbstbestimmten Existenz entscheiden müssen«.  [61]
    Indem man liebt und sich nach einem anderen sehnt, geht man stets das Risiko ein, unbeachtet zu bleiben und zu erfahren, daß die eigene Liebe unerfüllt bleibt. Die Furcht, sein Begehren vereitelt zu sehen, verwandelt die Erfahrung der Liebe in eine (potentiell) hochgradig reflexive. Diese Reflexivität bildet sich dadurch, daß die Anerkennung mit einem weiteren für das Selbstwertgefühl entscheidenden Ritual kollidiert und interagiert, nämlich dem Ritual der Autonomie. Ich behaupte somit, daß die Anerkennung ihre Grenze an kulturellen Definitionen des Personseins findet, denen zufolge die Autonomie beider Seiten – desjenigen, der 243 ein Anerkennungsritual ausübt, und desjenigen, dem dieses Ritual gilt – gleichzeitig bestätigt werden muß.
    In seiner Analyse von Romanzen junger Menschen gibt Ori Schwarz Beispiele dafür, wann sich die Beteiligten dafür (oder dagegen) entscheiden, die Person, mit der sie etwas haben, zu fotografieren:
     
    Eine Frau in ihren späten Zwanzigern, die im Moment keine Beziehung hatte, beschrieb sich als »besessene Dokumentaristin«: »Wann immer ich beginne, Gefühle  [für jemanden] zu entwickeln, erwacht auch der Wunsch, zu dokumentieren.« Und doch »würde  [sie] niemanden fotografieren, solange  [sie] noch nicht auf die Beziehung vertrauen kann, um ihn nicht in Panik zu versetzen«: Sie »möchte ihn nicht in die Flucht schlagen, Druck auf ihn ausüben, zu verliebt wirken«.  [62]
    Hier sehen wir eine sehr verbreitete Erfahrung des Liebeslebens skizziert, nämlich das Bedürfnis, den Ausdruck von Gefühlen (die Anerkennung eines anderen) unter Beobachtung zu behalten, um die eigene Position in einer Beziehung nicht zu schwächen. Denn Anerkennung vollzieht sich stets innerhalb einer Dynamik, in der es die eigene Autonomie zur Schau zu stellen gilt. Autonomie wird durch eine sehr sorgfältige Überwachung und sogar Verweigerung von Anerkennung erreicht. Romantischen Beziehungen ist das Verlangen nach Anerkennung unverbrüchlich eingeschrieben, doch um performativ erfolgreich zu sein, muß das Verlangen nach und die performative Gewährung von Anerkennung sorgsam unter Kontrolle gehalten werden, um die Autonomie des Selbst nicht zu gefährden – was gleichermaßen für die anerkennende wie für die anerkannt werdende Person gilt. Sehen wir uns ein weiteres Beispiel aus Schwarz’ Untersuchung an:
     
    Eine lesbische Großstädterin in ihren späten Zwanzigern, die Fotos machen wollte, »war ein wenig beunruhigt, daß dies als zu großes 244 Interesse von meiner Seite/ein zu fortgeschrittenes Stadium/zu intim usw., usw. mißverstanden werden könnte. Ich setzte mich  [darüber] hinweg und fotografierte, wann ich Lust hatte, aber ich machte sehr stark deutlich, daß es keine versteckten Absichten und keinen Grund zur Beunruhigung gab.«  [63]
    Hier leitet sich die »Besorgnis« (absurderweise) von der Befürchtung ab, die Frau könnte mehr Liebe und Gefühl zeigen, als ihre Partnerin zu erwidern vermag. Diese Möglichkeit ist so bedrohlich, daß sie sich große Mühe gibt, die potentielle Bedeutung ihres Tuns zu entkräften, um ihren Status in der Beziehung sicherzustellen, der seinerseits durch die Zurschaustellung von Autonomie signalisiert wird. Statt Bestandteil eines unendlichen Prozesses der Reziprozität zu sein, fungiert Anerkennung hier als ein begrenztes Gut, weil sie durch den interaktionellen Imperativ der Autonomie eingeschränkt ist, der in der impliziten Behauptung der eigenen Autonomie und Bestätigung der Autonomie des anderen besteht. Viele der Schwierigkeiten am Anfang einer Beziehung rühren dementsprechend davon her, daß Autonomie und Anerkennung ausgehandelt werden: Wieviel Autonomie und Anerkennung man an den

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