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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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Verbindlichkeit nicht von vornherein in der Beziehung angelegt wäre. Die Absicht, sich zu binden, wird als krönende Vollendung der 249 Beziehung verstanden, nicht als ihre Voraussetzung. Folglich wird schon die Frage der Verbindlichkeit von vornherein aus romantischen Beziehungen ausgeblendet, während man diesen zugleich eine kontinuierliche Arbeit der Anerkennung abverlangt. Schließlich legen die zitierten Äußerungen von Irene nahe, daß, anders als im 19. Jahrhundert, in dem das Halten von Versprechen ein zentraler Bestandteil des moralischen Gefüges von Bindung und Verbindlichkeit war, die Aufforderung zu einem Versprechen illegitim geworden ist – und dies trotz des offenkundig hohen persönlichen Preises, den die Frau dafür zu zahlen hat. In ihrem Buch Girls Gone Mild beobachtet auch Wendy Shalit,  [67] eine konservative Kritikerin der sexuellen Beziehungen, das Zögern der Frauen, Forderungen an die Männer zu stellen, führt dies aber in Übereinstimmung mit dem tonangebenden therapeutischen Ethos auf einen Mangel an Selbstachtung und die Übersexualisierung der Frauen zurück. Wie viele konservative Denker identifiziert Shalit zutreffend ein Feld, das mit Problemen überhäuft ist, deren Ursachen sie jedoch wie viele konservative Denker nicht begreift.
    An dieser Stelle kann uns meines Erachtens der Begriff der »Verwirrtheit« weiterhelfen. Verwirrtheit ist ein psychologisches Merkmal, in dessen Ätiologie man jedoch oft auf soziologische Ursachen stößt. Wie ich glaube, wird Verwirrtheit oft durch zwei unvereinbare strukturelle Prinzipien ausgelöst. In Irenes Geschichte behält der Wunsch, ein bestimmtes Selbstbild zu bewahren, die Oberhand über die Verteidigung ihres Eigeninteresses, und zwar deshalb, weil ihr Selbstbild der Interaktion nicht vorausgeht, sondern entscheidend in der romantischen Interaktion ausgehandelt und errichtet werden muß. Das Selbstbild hängt von einem Wert ab, der intersubjektiv geschaffen, das heißt in speziellen Interaktionen ausgehandelt werden muß. In diesen In 250 teraktionen geht es permanent um die Zurschaustellung der eigenen Autonomie und der eigenen Fähigkeit, die Autonomie des anderen zu respektieren – also keine Forderungen aneinander zu stellen. Man beachte, daß »Druck ausüben« als Bedrohung sowohl der Person, auf die Druck ausgeübt wird, als auch der Person, die Druck ausübt, verstanden wird. Das kulturelle Motiv, das hier den Wert bestimmt und ausmacht, ist die Autonomie, was erklärt, warum die Bitte um ein Versprechen als Ausüben von »Druck« betrachtet wird (eine Vorstellung, die im viktorianischen England wohl merkwürdig erschienen wäre): Diese Vorstellung ergibt nur vor dem Hintergrund einer Auffassung des Selbst Sinn, für die ein Versprechen eine Einschränkung der Freiheit bedeutet, nämlich der Freiheit, morgen anders zu empfinden als heute. Nachdem eine Einschränkung der eigenen Freiheit als illegitim gilt, wird die Aufforderung zu einer Bindung als Entäußerung der eigenen Freiheit interpretiert. Diese Freiheit wiederum hängt mit der Definition von Beziehungen in rein emotionalen Begriffen zusammen: Wenn eine Beziehung die Folge frei empfundener und frei gewährter Gefühle ist, kann sie nicht aus der moralischen Struktur der Verbindlichkeit hervorgehen. Weil Gefühle als wandelbar angesehen werden, grundsätzlicher aber noch, weil als Quelle von Gefühlen die je einzigartige Subjektivität und der freie Wille gelten, wird es illegitim, zu verlangen, daß man seine Gefühle an die Zukunft bindet – würde dies doch als Bedrohung jener Freiheit wahrgenommen, die der reinen Emotionalität innewohnt. In einer Bindung mit der sie begleitenden Verbindlichkeit besteht folglich das Risiko, daß man jemandem keine andere Wahl läßt, als eine Wahl zu treffen, die nicht auf reinen Gefühlen und reiner Emotionalität beruht und ihn damit wiederum seiner Freiheit beraubt.
    Meine These lautet: In dem Maß, in dem die Männer in der Moderne den Diskurs der Autonomie verinnerlicht 251 und mit Nachdruck verfochten haben, wirkt sich Autonomie als symbolische Gewalt aus, die um so naturalisierter und schwieriger zu erkennen ist, als Autonomie im Zentrum des Projekts der Emanzipation der Frauen steht (und stehen muß). In einem meiner Interviews sagte Amanda, eine 25jährige Frau, folgendes:
     
    AMANDA : Ich war zwei Jahre mit Ron zusammen, und in diesen zwei Jahren habe ich nie zu ihm gesagt: »Ich liebe dich.« Und er hat auch nie zu

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