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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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lieben und gleichzeitig in Ruhe lassen . Das konnte ich nicht, und dadurch wurde meine Angst immer größer. Und je panischer ich wurde, desto mehr lief ich ihm hinterher.«  [71]
    Offensichtlich stellt die Verfasserin Jills Verhalten als pathologisch dar, weil eine gesunde Psyche in der Lage ist, Autonomie und Anerkennung, also, in ökonomische Begriffe 256 übersetzt, Angebot und Nachfrage auszubalancieren – ist diese Erzählung doch implizit durch eine ökonomische Auffassung von Beziehungen strukturiert. Sie legt fraglos nahe, daß eine der Funktionen der Ratgeberliteratur genau darin besteht, der Leserin dabei zu helfen, den in der Dynamik der Anerkennung enthaltenen Fluß von Angebot und Nachfrage an Gefühlen zu überwachen. Weil der Wert des Selbst in und durch Interaktionen ausgehandelt wird und weil Anzeichen von Autonomie als Anzeichen von Wert fungieren, wird das Selbst zum Schauplatz eines ökonomischen Kalküls, dem gemäß es seinen Wert selbst herabsetzen kann, indem es einen anderen gleichsam »zu sehr« anerkennt (»liebt«). Wie in Kapitel 2 angedeutet, wird Anerkennung im Rahmen einer ökonomischen Auffassung von Gefühlen organisiert und durch diese beschränkt, einer Auffassung, der zufolge ein Überangebot an Anerkennung die Nachfrage nach selbiger gefährden und drosseln kann. Dieser Imperativ ist es, der einen Gutteil der mit romantischen Beziehungen verbundenen Unsicherheiten strukturiert. Und es ist dieses ökonomische Denken in Begriffen von Angebot und Nachfrage, das in der folgenden autobiographischen Erzählung der geschiedenen 46jährigen Anne zum Ausdruck kommt:
     
    ANNE : Also, was ich an Beziehungen unmöglich finde, sind all diese Machtspielchen: Rufe ich ihn an, rufe ich ihn nicht an? Lasse ich ihn wissen, daß ich ihn sehr mag, oder spiele ich die Gleichgültige? Die, die nicht leicht zu haben ist, oder die Süße und Liebevolle? Das macht mich wahnsinnig.
    INTERVIEWERIN : Das müssen Sie mir erklären. Wie meinen Sie das?
    ANNE : Wie ich das meine? Schauen Sie, in den meisten Fällen – ich meine, ich rede nicht von der großen Liebe, die einem ein- oder zweimal im Leben begegnet – in den meisten Fällen lernt man jemanden kennen und mag ihn halt irgendwie, aber man weiß nicht, wohin das führen könnte. Wenn man nun feststellt, daß man ihn so sehr nun auch wieder nicht mag, ist das prima, weil man dann nicht das Gefühl hat, in seinen Händen zu sein, man ist nicht ängstlich. Wenn man ihn aber anfangs mehr mag, als er es tut, dann fangen die Schwierigkeiten an. 257 Denn wenn man ihn gern hat, muß man aufpassen, was man sagt und wie man es sagt. Wenn man ihm zeigt, daß man ihn zu sehr mag, wird der Mann im Normalfall Reißaus nehmen. Wenn man zu reserviert ist, wird er glauben, man sei gleichgültig.
    INTERVIEWERIN : Warum glauben Sie, wird der Mann Reißaus nehmen? Haben Sie das selbst erlebt?
    ANNE : O ja.
    INTERVIEWERIN : Können Sie mir ein Beispiel geben?
    ANNE : Da kann ich Ihnen wohl mehr als eines geben. Einmal hatte ich etwas mit einem Mann, und zunächst war ich hin- und hergerissen, unsicher, ob ich mit ihm zusammensein wollte. In erster Linie, weil ich ihn für einen ziemlich unterkühlten Typen hielt. Nach zwei Wochen sagte ich ihm, daß ich die Verbindung nicht aufrechterhalten wollte. Er bat mich, ihm noch eine Chance zu geben. Dann wurde er warmherziger, und ich begann, ihn richtig gern zu haben. Aber immer, wenn ich über die Zukunft sprechen wollte, zog er sich zurück. Je zwiespältiger er war, desto mehr Druck machte ich. Am Ende wurde er so zwiespältig, daß wir uns trennten.
    Und es gab diese Zeit, als ich eine heftige, heiße Affäre mit einem Mann hatte, der fünfzehn Jahre älter war als ich. Der Mann gab sich sehr verliebt. Er rief mich jeden Tag an. Schon weit im voraus wollte er Pläne fürs Wochenende machen. Er schlug alle möglichen Urlaubsreisen vor, die wir zusammen unternehmen sollten. Dann eines Tages, nachdem ich ihn zu erreichen versucht hatte, brauchte er zwei Tage, um zurückzurufen. Ich sagte ihm, daß mich das verletzt habe. Er war verärgert und zeigte mir tatsächlich die kalte Schulter. Er sagte, er verstehe nicht, warum ich so ein Theater mache. Mit einem anderen Mann war ich sechs Monate zusammen, und weil er Musiker war, hatte er oft sein Handy ausgeschaltet. Ich kommentierte das und fragte ihn, ob er es nicht öfter einschalten könne, damit er für mich erreichbar sei. Und er hörte nicht mehr auf,

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