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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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mir gesagt: »Ich liebe dich.«
    INTERVIEWERIN : Warum, glauben Sie, war das so?
    AMANDA : Ich wollte nicht die erste sein, die es sagt.
    INTERVIEWERIN : Warum nicht?
    AMANDA : Weil, wenn man das sagt und wenn die andere Person einem selbst gegenüber nicht so empfindet, dann wird man zum schwächeren von beiden; oder sie verübeln es einem; oder sie nutzen es aus; oder sie werden unnahbar deswegen.
    INTERVIEWERIN : Glauben Sie, daß er sich das ebenfalls gesagt hat? Daß er es nicht sagen will?
    AMANDA : Ich weiß es nicht. Vielleicht. Obwohl, wissen Sie, ich glaube, Männer sind aus mancherlei Gründen freier, es zu sagen. Meinem Gefühl nach wissen sowohl Männer als auch Frauen, daß Männer es zuerst sagen können, die Frau hat diese Freiheit nicht. Eine Frau wird sich nicht von einem Mann zurückziehen, wenn er ihr sagt, daß er sie liebt, während ein Mann ausflippen und glauben wird, sie will den Ring und das weiße Kleid.
    Wir können auch ein Beispiel aus Sex and the City nehmen, für viele die Bibel in Sachen moderner dysfunktionaler Beziehungen. »Eine Weile sagte keiner mehr etwas, dann Carrie: ›Wie kommt es, daß du nie »ich liebe dich« sagst?‹ ›Weil ich Angst habe‹, antwortete Mr. Big. ›Ich habe Angst, wenn ich »ich liebe dich« sage, daß du dann denkst, wir würden heiraten.‹«  [68]
    Eindeutig bestimmen Männer die Spielregeln von Anerkennung und Verbindlichkeit. Die männliche Vorherrschaft 252 hat die Form eines Ideals von Autonomie, dem die Frauen, vermittelt über ihren Kampf um Gleichheit in der Öffentlichkeit, selbst beigepflichtet haben. Wird sie freilich auf die Privatsphäre übertragen, würgt Autonomie das Verlangen der Frauen nach Anerkennung ab. Denn es ist allerdings bezeichnend für symbolische Gewalt, daß man sich einer Definition der Realität nicht zu widersetzen vermag, obwohl einem dies zum Nachteil gereicht. Mein Punkt ist nicht, daß Frauen keine Autonomie wollen. Es geht vielmehr darum, daß sich Frauen in einer spannungsgeladenen Position befinden, weil sie gleichzeitig Ideale der Sorge und Autonomie schultern und, entscheidender noch, weil sie häufig glauben, für ihre Autonomie und die des Mannes Sorge tragen zu müssen. So erzählt Shira, eine wortgewandte und attraktive 27jährige Frau mit einem Bachelor in Sozialwissenschaften:
     
    SHIRA :  [Wenn wir zusammen waren], pflegte ich beispielsweise zu sagen, daß ich lieber heimginge; und dann pflegte er zu sagen, daß er zu Sammy  [einem Freund] gehen wollte; dann fing ich an zu weinen, einfach zu weinen, ich habe mich nie wirklich getraut, ihm zu sagen, was ich von ihm dachte; ich war irgendwie verängstigt; vielleicht hatte ich Angst, ihn zu verlieren; deshalb habe ich nichts gesagt; aber geweint habe ich.
    INTERVIEWERIN : Haben Sie oft geweint?
    SHIRA : Ich habe sehr oft geweint.
    INTERVIEWERIN : Können Sie sagen, warum?
    SHIRA : Nun ja, ich glaube, daß ich all diese Jahre einfach zu ängstlich war, ihm zu sagen, was ich wirklich dachte.
    INTERVIEWERIN : Können Sie mir ein Beispiel für etwas geben, das Sie sich nicht trauen, ihm zu sagen?
    SHIRA : Es kann alles mögliche sein. Am Samstag zum Beispiel wollte ich einfach zu Hause faulenzen und nur mit ihm zusammen sein und zusammen essen, aber er wollte einfach nur raus und seine Freunde sehen.
    INTERVIEWERIN : Haben Sie geweint, als er noch da war oder als er weg war?
    SHIRA : Als er noch da war.
    INTERVIEWERIN : Hat es ihn dazu veranlaßt, dazubleiben?
    253 SHIRA : Nein, leider nicht.
    INTERVIEWERIN : Haben Sie noch mehr solcher Beispiele?
    SHIRA : Ehrlich gesagt, viel zu viele. Meistens ging es darum, daß ich irgend etwas wollte und die Dinge so liefen, daß mein Wunsch ignoriert oder vereitelt wurde. Zum Beispiel liebte ich es, zu Hause zu bleiben und etwas Schönes zu kochen. Und dann gab ich mir wirklich viel Mühe damit, das Essen anzurichten. Ich erwartete, daß er etwas dazu sagt, daß er es bemerkt, was er aber meistens nicht tat. Und das verletzte mich dann, und ich fing an zu weinen.
     
    Der Kummer, den diese Frau erlebt, verdankt sich dem Umstand, daß sie in einem Widerspruch gefangen ist, den sie nicht benennen kann: Ihre Tränen drücken unmittelbar ihre Abhängigkeit und ihr Bedürfnis nach Anerkennung aus. Und doch kann sie trotz ihrer beschwerlichen Gefühle keine explizite Forderung formulieren, um seine und ihre Autonomie (oder zumindest den Anschein davon) zu bewahren. In diesem Sinne

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