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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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des Romans die Tiefe und Stärke ihres Charakters offenbart. Die Fähigkeit von Heldinnen und Helden, an einer unerwiderten oder unmöglichen Liebe zu leiden, verweist gerade deshalb auf die Stärke und Tiefe ihres Charakters, weil die Wurzel ihres Leids in der Tatsache besteht, daß sie ihr gesellschaftliches Los, ihre Stellung und ihren Status nicht ändern können.
    In zeitgenössischen Affären beziehungsweise Geschichten von Menschen, die verlassen wurden, können wir eine erstaunliche Umkehrung feststellen. Tatsächlich geht heutigen Erzählungen des Betrugs oder Verlassenwerdens die Dimension der »moralischen Klarheit« (Neiman) völlig ab. Statt 265 dessen künden sie von einem bezeichnenden Wandel in der moralischen Struktur der Schuld und der Gefühle, die aus dieser moralischen Struktur hervorgehen.
    Beispiele von Internetseiten, die sich dem Thema Trennung widmen, bestätigen dies unmittelbar. In einem medizinisch-psychologischen Webangebot findet sich unter den ersten Nutzern die folgende Geschichte:
     
    Ich habe mich kürzlich von meinem Freund getrennt, mit dem ich drei Jahre zusammen war. Ich fand heraus, daß er gelogen und gestohlen hat. Er schreckte nicht davor zurück, den Verlobungsring des Freundes meiner Mutter zu klauen, und als ich ihn fand, gab er ihn mir und machte einen Antrag. Als ich herausfand, daß der Ring gestohlen war, war ich extrem verärgert und verletzt, daß er mich und meine Familie derart belogen hatte.  […] Lohnt es sich, diese Beziehung wieder aufzunehmen, wenn er die Hilfe kriegt, die er braucht? Ich möchte nicht allein sein, aber ich weiß, daß es nur schlimmer wird, wenn ich mich in eine neue Beziehung stürze.  [77]
    Diese Geschichte ist offensichtlich von einem klaren Bewußtsein geprägt, daß Stehlen, Lügen und Betrügen moralisch nicht zu rechtfertigen sind. Und doch kommt in der Darstellung nicht weniger deutlich heraus, daß die moralische Bedeutung ihrer Paarbeziehung für die Erzählerin ungewiß ist, denn die moralischen Schwächen des Freundes ziehen keine klare Handlungsweise und eigentlich auch keine klare Verurteilung nach sich. Dies zeigt sich auch an dem Umstand, daß sie das moralische Fehlverhalten ihres Freundes medikalisiert, wodurch für sie selbst wiederum undeutlich wird, wie sie angemessen auf ihn reagieren soll. Nicht nur bringt sie keinerlei moralische Verurteilung der Person vor, die sie betrogen hat, sondern sie nutzt das Internet hauptsächlich als Mittel, um andere nach moralischer Orientierungshilfe zu fragen, weil sie selbst nicht weiß, wie sie ihre Geschichte moralisch zu wichten hat.
    266 Ein solcher Selbstzweifel – und das mit ihm einhergehende Bedürfnis, sich von einer anonymen Gemeinschaft von Internetnutzern Rat zu holen – entspringt der Struktur und der Position des Selbst in zeitgenössischen Beziehungen, einer Position, in der das Selbst Schwierigkeiten damit hat, dem Verhalten anderer moralisches Gewicht beizumessen, und, entscheidender noch, in der das Selbst aufgefordert ist, sich in die Schwächen anderer verstrickt zu fühlen.
    Die Schwierigkeit, in der Einschätzung einer Trennungsgeschichte eine moralische Sichtweise zu artikulieren, wird verschärft und tritt noch deutlicher zutage, wenn keine Rechtsnorm verletzt wurde (wie beim Stehlen). Tatsächlich scheint es im folgenden Beispiel, als sei die Last der moralischen Verantwortung der geschmähten Person zugeschoben. Shira, der wir bereits weiter oben begegnet sind, erzählt:
     
    SHIRA : Als mein damaliger Freund mich verließ, hatte ich das Gefühl, daß etwas mit mir nicht stimmte; ich empfinde das auch heute noch so; aber damals war es viel stärker; damals empfand ich mich als einen furchtbaren Menschen; ich habe überhaupt nicht mehr an mich selbst geglaubt. Aber ich habe viel an mir gearbeitet in diesem vergangenen Jahr und bin sehr stolz auf mich. Es war wirklich ein Prozeß.
    INTERVIEWERIN : Können Sie mir erklären, was es bedeutet, daß Sie nicht mehr an sich selbst geglaubt haben?
    SHIRA : Es ist eine schreckliche Erfahrung; als es passierte, hatte ich das Gefühl, es sei klarerweise das Ende meiner Welt, das Ende meines Lebens; ich glaube nicht, daß ich an Selbstmord gedacht habe, aber ich hatte das Gefühl, daß es nichts mehr gab, wofür ich lebte; ich fühlte mich, als wäre mein einziger Lebensinhalt verschwunden.
    INTERVIEWERIN : Wie lange hat dieses Gefühl angehalten?
    SHIRA : Ungefähr sieben Monate; das ging so, bis ich

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