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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Illouz
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statt ganzheitlich zu sein; und in dieser speziellen Konstellation scheinen die Menschen über zu viele Informationen zu verfügen und weniger leicht in der Lage zu sein, zu idealisieren. Im folgenden Beispiel beschreibt eine Frau ihr erstes Treffen mit jemandem, den sie im Netz kennengelernt hat:
     
    STEPHANIE : Ich traf ihn ziemlich bald nach einem sehr intensiven Mailaustausch und einem Telefonat, bei dem mir seine Stimme gefiel. Wir hatten uns in einem Café am Meer verabredet, die Szenerie war perfekt, und obwohl ich darauf vorbereitet war, ihn weniger gutaussehend zu finden als auf den Bildern, weil das eigentlich immer so ist, fand ich doch tatsächlich, daß er so attraktiv war wie auf seinen Fotos. 414 Also ließ sich alles sehr gut an, aber es ist so merkwürdig, im Laufe des Abends – wir verbrachten zweieinhalb Stunden miteinander   –   merkte ich, daß es einfach nicht funkte. Er war nicht wirklich anders als der Typ, den ich im Netz gekannt hatte, er schien denselben Sinn für Humor zu haben, er hatte dieselben Qualitäten, war intelligent, gutaussehend, aber bei mir funkte es nicht.
    INTERVIEWERIN : Und wissen Sie, warum?
    STEPHANIE : Na ja, ich hasse es, das zu sagen, aber vielleicht war er zu freundlich? Etwas an seiner Freundlichkeit war einfach zu freundlich ( lacht ), ein bißchen zu sehr darauf aus, zu gefallen, oder vielleicht, ich weiß nicht. Ich liebe Freundlichkeit, aber sie muß mit ein bißchen Derbheit gemischt sein, sonst wirkt er womöglich nicht männlich genug, verstehen Sie?
    Eine interessante Antwort: Obwohl dieser Mann ihre Wunschliste an Merkmalen erfüllt, weist Stephanie ihn doch zurück, weil ein »Funke« fehlt (ein wichtiges Konzept für die moderne Liebesgeschichte). Dies erklärt sie damit, daß dem Mann eine bestimmte unbeschreibliche Qualität (»Männlichkeit«) abgeht, die, wie man vermuten könnte, im Wiedererkennen althergebrachter visueller und körperlicher Kodes von Männlichkeit besteht. Die Kriterien der »Männlichkeit« (oder »Weiblichkeit«) – und allgemeiner der Sexyness – erfordern jene Art von ganzheitlichem Urteil, das sich zum Markenzeichen der Gestaltpsychologie entwickelt hat. Männlichkeit, Weiblichkeit und Sexyness können nur daran festgemacht werden, wie die diversen Bewegungen und Haltungen des Körpers zusammenspielen. Diese Eigenschaften lassen sich allein visuell identifizieren und nicht sprachlich prozessieren. Einer Herangehensweise an das Reale, der eine abstrakte, verbale Kenntnis des anderen vorausgeht, fällt es schwer, den Übergang zu einer visuell-ganzheitlichen Herangehensweise zu vollziehen. Zu viel psychologisch-verbales Wissen über den anderen kann es erschweren, sich von ihm oder ihr angezogen zu fühlen. Gefühle werden folglich in der traditionellen Liebe, die auf dem Körper und einer informationsdünnen Vorstellungskraft 415 beruht, durch vier grundlegende Prozesse ausgelöst: eine Anziehungskraft, die ihren Sitz im Körper hat; die Mobilisierung früherer Beziehungen und Erfahrungen durch diese Anziehungskraft (wo Freud solche früheren Erfahrungen als strikt psychologisch und biographisch ansah, können wir sie mit Bourdieu als sozial und kollektiv verstehen); einen halbbewußten oder unbewußten Ablauf, der somit das rationale Cogito umgeht; eine Idealisierung der als einzigartig wahrgenommenen Person, wie sie quasi definitionsgemäß zur traditionellen Form von Liebe gehört (wobei eine solche Idealisierung oft von einer Mischung aus dem, was wir über den anderen wissen, und dem, was wir nicht über ihn wissen, lebt). Mit anderen Worten: Das Begehren, das durch eine informationsdünne Vorstellungskraft strukturiert ist, verändert sich grundlegend. Betroffen von dieser Veränderung sind die Rolle visueller und körperlicher Auslösereize, die Ersetzung bruchstückhafter Informationen durch eine Menge von Informationen und die daraus folgende Unfähigkeit, den anderen zu idealisieren.
    Anders als in der traditionellen Liebe dominiert im Internet das Phänomen der »verbalen Überschattung« ( verbal overshadowing ) – womit ein Übergewicht der Sprache in Bewertungsprozessen gemeint ist, die zum Teil oder zum Großteil auf visuellen Wahrnehmungen oder Reizen beruhen. Wenn Menschen sich zwar mit Bildern, aber eben auch mit einem sprachlichen Profil präsentieren, wenn sie andere durch den Austausch von Textbotschaften kennenlernen und etikettieren, greifen sie in hohem Maß auf Sprache zurück. Doch die

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