Warum manche Menschen nie krank werden
Vermutlich eher Letzteres. Erkältungsviren dringen größtenteils über die Schleimhäute in den Körper ein, und eine dieser Schleimhäute ist die Nasenschleimhaut. Wenn Sie in der Nase bohren, nachdem Sie einen kranken Menschen oder einen mit Erregern kontaminierten Gegenstand angefasst haben, übertragen Sie die Krankheitserreger an Ihrem Finger direkt in Ihr System. Außerdem hat Sie Mutter Natur nicht umsonst mit Nasenhaaren ausgestattet: Sie bilden einen Filter, der dafür sorgt, dass Sie viele der in der Atemluft enthaltenen Partikel und Schadstoffe gar nicht erst einatmen. Wenn Sie sich beim Nasebohren ein Härchen ausreißen, entreißen Sie damit Ihren Schutztruppen gegen feindliche Angriffe von außen einen kleinen Soldaten, dessen tragischer Tod durch Eigenbeschuss eine Lücke entstehen lässt, durch die ein Feind eindringen kann.
Andere wiederum sprechen sich für das Nasebohren aus: Der Lungenspezialist Dr. Friedrich Bischinger aus Innsbruck hält Nasebohren für ausgesprochen gesund, weil es die Nase von festsitzenden Partikeln reinigen hilft, die sich durch bloßes Schnäuzen nicht entfernen lassen. Seiner Ansicht nach sollte man sogar essen, was man beim Nasebohren erntet, um das Immunsystem zu stärken, das aus dem Kontakt mit einzelnen Feinden lernt, geeignete Abwehrstrategien zu entwickeln (sollte der Feind später einmal zum Großangriff blasen). Wer in der Nase bohrt und sich die Funde einverleibt, hat die Dreck- und Urwaldhypothese jedenfalls ganz und gar verinnerlicht.
Stark vereinfacht ausgedrückt, stehen dem menschlichen Körper zwei Abwehrmaßnahmen gegen potenziell schädliche Mikroorganismen zur Verfügung: zum einen die Th1-vermittelte Immunantwort und zum anderen die Th2-vermittelte Immunantwort. Beide immunologische Mechanismen begrenzen die gesundheitsschädigenden Auswirkungen bestimmter Erreger, die Entzündungen oder allergische Reaktion wie Schnupfen, Niesen und Hautausschlag hervorrufen können, indem sie als Antikörper bezeichnete Proteine freisetzen, die diese Mikroben abtöten. Die Th1-vermittelte Immunantwort steuert außerdem die Th2-vermittelte Immunantwort – und genau hier liegt das Problem. Ist die Th1-vermittelte Immunantwort nicht ausreichend stimuliert, spielt die Th2-vermittelte Immunantwort verrückt. Dann nämlich herrscht Alarmstufe rot, und sollte ein harmloses kleines Allergen (wie ein Baumpollen) auftauchen, wird
aus allen Rohren darauf geschossen – wie ein Trupp hypernervöser Soldaten, die bei einem Fehlalarm alle auf einmal losballern. Aus diesem Grund können allergische Reaktionen wie Hautausschlag, Heuschnupfen und Asthma auch durch vollkommen harmlose, von unserem Immunsystem aber irrtümlicherweise als pathogen eingestufte Mikroben ausgelöst werden.
Zugegeben, es klingt im ersten Moment absurd, dass Sie sich genau den Bakterien, Viren und Erregern aussetzen sollen, die Ihre Gesundheit ernsthaft gefährden. Weniger
absurd wird es, wenn man sich klarmacht, dass sich das menschliche Immunsystem unter Umgebungsbedingungen entwickelt hat, die sich mit den heutigen nicht vergleichen lassen. Vor zigtausend Jahren tummelten sich ganze Heerscharen von Parasiten, Bakterien und allen nur erdenklichen Erregern in und auf unseren Vorfahren, sodass die Fähigkeit des Immunsystems, zu einem groß angelegten Rundumschlag auszuholen, überlebensnotwendig war. Über die Fähigkeit, sich gegen massive Erregerattacken zu verteidigen, verfügt unser Immunsystem noch heute, auch wenn unser moderner Lebensstil es kaum noch erforderlich macht. Das Dumme ist nur, dass genau die medizinischen Fortschritte, die uns von den unhygienischen Lebensbedingungen der Urzeit erlöst haben, auch die Beziehungen nachhaltig verändert haben, die das menschliche Immunsystem zu Mikroorganismen pflegt.
HER MIT DEM DRECK!
So ein bisschen Dreck tut nicht nur innerlich gut. Auch im Dreck zu spielen, kann sehr gesund sein. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler der Northwestern-Universität, die 2009 im Zuge einer Studie 1 500 Kinder auf den Philippinen untersuchten. Je mehr pathogenen Mikroorganismen die Kinder vor dem Erreichen des zweiten Lebensjahrs beim Spielen im Dreck ausgesetzt waren, umso weniger Entzündungserreger fanden sich in ihren Blutproben. Wer schon im Kleinkindalter mit den verschiedensten Keimen und Bakterien in Berührung kommt, scheint in späteren Jahren weniger anfällig für chronische Entzündungskrankheiten und andere ernsthafte Krankheiten zu sein, lautet
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