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Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)

Titel: Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Hesse
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gesprochene Indogermanische zurück. Damals wurde für jeden Einer ein Strich gesetzt, bei einem Zehner wurde ein Kreuz gemacht und diese standen hinter den Strichen: IIIIX war unsere heutige Zahl 14. Sie wurde von links nach rechts und folgerichtig als vier-zehn ausgesprochen. Als die indisch-arabischen Zahlzeichen nach Europa kamen, setzte sich dann auch im indogermanischen Sprachraum alsbald die umgekehrte Schreibweise durch, nun standen die Zehner vorn: 14 – aber die frühere Sprechweise wurde seltsamerweise nicht angetastet, sondern unverändert beibehalten.
Nach der mönschwärdung Christi Jesu unnsers säligmachers gezallt thusennt funnffhundert zwentzigk unnd funnff jar.
Jahreszahl auf einer Quittung von 1525 aus einer Kanzlei der schweizerischen Stadt Zofingen. Aus: Das Stadtrecht von Zofingen, bearbeitet von Walther Merz, 1914
    Eine weitere Chance der Anpassung gab es mit Martin Luthers Bibelübersetzung. Doch auch diese wurde nicht genutzt. Im Lateinischen wird die 43 tatsächlich als vierzigdrei gesprochen. Doch Luthers Ziel war es, so zu übersetzen, wie die Leute sprechen. Die Leute aber sagten immer noch dreiundvierzig. Und so hat es Luther dann übersetzt.
    Die Auswirkungen des deutschen Zahlensalats sind eklatant: Zahlendreher in allen Lebenslagen, falsch notierte Telefonnummern, Probleme beim Simultandolmetschen und in Gesprächen mit Ausländern. Hörfehler, Denkfehler, Sprechfehler, Schreibfehler, Lesefehler. Der Unternehmensberater Günter Lößlein schätzt, dass durch die Zahlensprechweise verursachte Fehler ein Schaden von 300–500 Millionen Euro jährlich in Deutschland entsteht.
    Am wichtigsten jedoch: Nachweislich haben es deutschsprachige Kinder in der Grundschule weitaus schwerer als nötig, das fehlerlose Hantieren mit Zehnern und Einern zu lernen. Ihren noch nicht durch Gewöhnung imprägnierten Sinnen fehlt anfangs der intuitive Umgang beim Zahlen-Handling. Studien mit deutschsprachigen Zweitklässlern haben gezeigt, dass deren Zahlenkompetenz im internationalen Vergleich weit unterdurchschnittlich war, in der Nähe der Fähigkeiten einer Vergleichsstichprobe aus der Unterschicht Brasiliens.
    Sogar handfeste Unfälle kann man der deutschen Zahlendreherei anlasten. So berichtet Prof. Waldemar Reinecke, dass im Zweiten Weltkrieg der Artilleriebefehl: «Ganze Batterie feuern, Entfernung 7400» (gesprochen: vierundsiebzig hundert) vom völlig übermüdeten Nachrichtenmann als 4700 an die Geschütze weitergegeben und sofort ausgeführt wurde. Elf Soldaten der eigenen Truppe starben durch das resultierende friendly fire. «Wäre damals in der deutschen Sprache die Sprechweise nicht vierundsiebzig, sondern siebzigvier gewesen, wäre dieses Unglück nicht passiert», meint Reinecke.
Nachrichtliches
Abrissunternehmen zertrümmert Haus Nr. 415 statt 451
Es war ein Fall von Verwechslung. Ein Zahlendreher in der Adresse führte zu einem Bulldozerfehler. Gemäβ amtlicher Verfügung sollte am Dienstag das Haus in 451 Fuller Avenue abgerissen werden. Doch als sich der Staub gelegt hatte, stand die Nummer 451 unberührt. Stattdessen waren etwas oberhalb in derselben Straβe vom Haus mit der Nr. 415 nur noch die Fundamente vorhanden.
The Grand Rapids Press, 5.12.1990
Interessehalber gefragt: War der Mann an der Abrissbirne ein Germane?
    ·Fast alle Sprachen haben im Laufe der Zeit ihre Zahlensprechweise an die Schreibweise angepasst. Die Engländer taten dies schon um 1600 bei den Zahlen ab 20. Das heutige thirty-six war zuvor six-and-thirty gewesen. Die Waliser gingen 1850 noch einen Schritt weiter. Bei ihnen beginnt die Systematik schon bei der 11, undeg un, was man mit einszehn eins übersetzen kann. In Deutschland ist 36 immer noch sechsunddreißig. Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist auch, dass manche an Dyskalkulie, einer Form von Rechenschwäche, leidende deutsche Schüler im Deutschen nicht kopfrechnen können, im Englischen dagegen schon. Der Jugendpsychologe Jochen Donczik hat mehr als 100 Dyskalkulierer gründlich untersucht und setzt sich für eine Vereinfachung der deutschen Zahlensprechweise ein. Viele Kinder irritiert es zum Beispiel, dass zwar fünftausend eben 5000 ist und fünfhundert die Zahl 500, aber fünfzehn nicht etwa 50 meint, sondern 15.
    Die Norweger waren bisher die Letzten, die ihre Sprechweise geändert haben. Sie taten es 1951 mit einer einstimmigen Abstimmung im Parlament. Sogar im norwegischen Gesetz ist seither verankert: «Zehner werden vor den Einern

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