Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
Entscheidungsproblem «Laufen oder Schwimmen»
Im optimalen Punkt P wird der zeitliche Nachteil |u|/r, den man erleidet, wenn man noch um das winzige Stück u weiter in Richtung S läuft, exakt aufgewogen vom zeitlichen Vorteil |w|/s, der aus der verkürzten Schwimmstrecke resultiert. Und aufgrund von Symmetriebeziehungen wird der Vorteil, der sich ergäbe, würde man schon um die Strecke u früher als erst in P losschwimmen, exakt durch den Nachteil der längeren Schwimmstrecke wettgemacht. Also resultiert weder Vorteil noch Nachteil, wenn der Punkt, von dem aus man schwimmt, relativ zu P ein winziges Stück nach links oder rechts verlegt wird. Eine Bestandsaufnahme kann deshalb nur zu dem Ergebnis kommen, dass in P selbst die Gleichung
Geltung besitzt. Wirft man das in die Waagschale, erhält man für den Winkel β in Diagramm 11 die Beziehung
Insgesamt stellt sich ein
was als positive Lösung leicht erkennbar
x = 5
besitzt. Nach unseren bisherigen Überlegungen ist es auch klar, dass sich für x = 5 ein Minimum der benötigten Zeit ergibt. Bei der negativen Lösung x = – 5 (Weiterlaufen über den Punkt S hinaus) von Gleichung (1) kann die benötigte Zeit nur erheblich größer sein.
Somit haben wir als Ergebnis ermittelt: Die mathematisch optimale Strategie hinsichtlich einer möglichst geringen aufzuwendenden Gesamtzeit besteht darin, zunächst 3 Meter bis zum optimalen Punkt P zu laufen und dann auf einer schrägen Geraden auf E zuzuschwimmen. Die benötigte Gesamtzeit dafür beträgt
Schneller geht’s nimmer. Die Lösung des Optimierungsproblems ist vollendete Tatsache.
Es ist erstaunlich und sei noch vermerkt, dass wir Menschen ein gutes intuitives Gespür für den optimalen Weg zum Ertrinkenden haben und allein durch intuitives Handeln dem Optimum recht nahe kommen. Vielleicht noch erstaunlicher, da überraschender, ist es, dass dies auch für andere Lebewesen gilt, z.B. für Hunde.
Kurze Hunde-Kunde
In einem Beitrag für die Zeitschrift College Mathematical Journal beschreibt der Mathematiker Dr. Timothy Pennings vom Hope College in Michigan (USA), wie sein Hund Elvis, ein Welsh Corgi – eine Rasse, die von Waliser Bauern schon seit Jahrhunderten als Hüte- und Treibhund eingesetzt wird –, sich in ähnlicher Situation so verhält, als habe er ebenfalls das obige Optimierungsproblem gelöst: Pennings und Elvis stehen am Ufer des Michigan-Sees, sagen wir, wie oben an der Stelle K, und Pennings wirft einen Ball ins Wasser, sagen wir, schräg hinaus zu einem Punkt E. Elvis stürmt los, um den Ball zu apportieren. Dabei beobachtet Pennings, dass Elvis weder sofort losschwimmt noch so weit läuft, dass er senkrecht zum Ufer dem Ball bei S gegenübersteht. Vielmehr läuft der Hund ein gewisses Stück und schwimmt dann schräg auf den Ball zu. Pennings wiederholt das Experiment und wirft den Ball mehrmals zu verschiedenen Positionen in verschiedenen Entfernungen unter verschiedenen Winkeln. «Um seine Optimierungsfähigkeit zu testen, nahm ich Elvis an einem Tag, als der Wasserspiegel relativ ruhig war, mit zum Lake Michigan», berichtete Pennings im erwähnten Artikel. «In 3 Stunden haben wir 37 Datenpunkte erhoben. Die Daten zeigen naturgemäβ ein gewisses Maβ an statistischer Streuung, doch die Übereinstimmungen mit der Optimallinie waren gut.» Pennings meint: «Das Verhalten von Elvis ist ein Beispiel für die geradezu unheimliche Art und Weise, in der die Natur optimale Lösungen findet. (…) Ich vermute, dass die meisten Hunde von der Natur mit einer derartigen Problemlösungs-Software ausgestattet sind.»
Übrigens hat der Hund Elvis, mit vollen Namen Elvis Bogart Wales, sich zu noch gröβeren Dingen aufgeschwungen. Kürzlich bekam er wegen seiner Optimierungskünste und der daraus resultierenden Medienprominenz den Ehrendoktortitel Litterarum Doctoris Caninarum des Hope College in Michigan verliehen. Er dürfte der einzige promovierte Hund der Welt sein.
16. Mathematik: museumsfähig, briefmarkenwürdig, münztauglich
Im Jahr 2000 ging in Uganda ein Geldstück in Form eines gleichschenkligen Dreiecks in Umlauf. Es zeigt Pythagoras und den nach ihm benannten Satz zusammen mit der Aufschrift Pythagoras’ Millennium. Auch das keine schlechte Betitelung für das vergangene Jahrtausend. Sie ist fast auf einer Ebene mit Gutenberg-Galaxis (Marshall McLuhan) und Mathematik-Universum (John Wheeler).
Abbildung 12: 2000-Schilling-Münze aus Uganda
Katika haki-angled triangle ya mraba jun
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