Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
dem Erlaubten, die Negation gegenüber der Affirmation, wenn beide aufeinandertreffen? Oder neutralisieren sich beide zum Garnichts?
13. Divide et impera et cetera oder Einfach neidfrei teilen
Es gibt in der modernen Mathematik das sehr sinnfällige Gebiet der Kuchenteilungs-Algorithmen, das von Mathematikern, Informatikern und Ökonomen intellektuell bewirtschaftet wird. Es geht dabei um die Aufteilung einer teilbaren Ressource an beliebig viele Personen. Genauer handelt es sich um die Fragestellung, wie ein Gut auf mehrere Personen fair aufgeteilt werden kann, in dem Sinne, dass niemand auf den Anteil eines anderen neidisch ist und am liebsten mit ihm tauschen möchte. Damit eine Aufteilung als fair zu erachten ist, müssen sie alle Beteiligten für fair halten. Grundlage dieses Fairness-Konzeptes sind also subjektive Einschätzungen, nicht objektive Maßstäbe von Gerechtigkeit. Es ist durchaus möglich, dass ein und dieselbe Teilmenge des zu teilenden Gutes von zwei verschiedenen Personen unterschiedlich eingeschätzt wird. Meinungsverschiedenheiten bei der Wertzuweisung sind mithin erlaubt.
Problemstellung und Lösung finden zahlreiche Anwendungen in vielen Gebieten wie zum Beispiel der Politik (Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg) oder des Rechts (Aufteilung des gemeinsamen Besitzes von Ehepartnern bei Scheidungen). Bei dieser Version des Problems geht es um ein beliebig teilbares Objekt. Weitergehende Überlegungen müssen angestellt werden, wenn die zu teilende Gesamtheit auch nicht teilbare Anteile umfasst, wie etwa Häuser bei Scheidungen.
Jeder kennt aus der Kindheit eine einfache Prozedur, wie man einen Kuchen unter 2 Personen gütlich aufteilen kann. Es ist das Prinzip «Der eine teilt ein und der andere wählt aus». Dieses 2-Personen Protokoll ist fair, weil für den Einteiler beide Stücke gleich attraktiv sind und der Auswähler, falls sie es für ihn subjektiv nicht sein sollten, sich das aus seiner Sicht attraktivere aussuchen darf.
Doch wie soll man unter 3 Personen neidfrei teilen? Die Mathematiker Selfridge und Conway fanden 1962 jeder für sich nach ernsthafter Intelligenzarbeit die Antwort.
Hier ist das Selfridge-Conway-Protokoll. Es ist aufwändiger als die simple Teilen-dann-Wählen-Strategie, aber es ist immer noch ein Bierdeckelplan.
1. A teilt den Kuchen in 3 seiner Ansicht nach gleich große Stücke und reicht sie an B weiter.
2. B schneidet gegebenenfalls vom seiner Meinung nach größten Stück so viel ab, bis es in seinen Augen gleich groß ist wie das zweitgrößte. Der dabei entstehende Kuchenschnipsel wird zunächst beiseitegelegt, die übrigen 3 Teile werden an C weitergereicht.
3. C nimmt sich das aus seiner Sicht größte Stück.
4. Als Nächstes darf B wählen, aber mit dem Vorbehalt, dass er jenes Stück nehmen muss, von dem er in Schritt 2 etwas abgeschnitten hat, sofern das der Fall war. Außer natürlich, wenn C dieses Stück bereits genommen hat.
5. A bekommt das übrig bleibende Stück.
Bevor es weitergeht, beurteilen wir das erreichte Zwischenstadium.
Der Kuchen ist neidfrei aufgeteilt bis auf den abgeschnittenen Schnipsel: C beneidet niemanden, da er als Erster wählen durfte. Auch B beneidet niemanden: Selbst wenn er das beschnittene Stück bekommt, ist er zufrieden, da es für ihn mindestens so groß ist wie die beiden anderen. Auch A ist nicht neidisch. Die Bedingung unter Punkt 4 garantiert ihm ein Stück, das er zu Beginn abgeschnitten hat.
Jetzt kommt der Rest. Was geschieht mit dem abgeschnittenen Schnipsel? Hier stockt der Gedankenfluss. So viel ist aber bereits klar: Wenn B im 2-ten Schritt nichts abgeschnitten hat, dann gibt es keinen Schnipsel, und wir sind schon fertig. Gut so.
Andernfalls wird derjenige von B oder C, der nicht das beschnittene Stück genommen hat, zum Schneider ernannt. Der andere dieser beiden ist der Nicht-Schneider. Jetzt kommt der Einblick, der alles wieder in Gang bringt: A hat gegenüber dem Nicht-Schneider einen uneinholbaren Vorsprung. Warum? Der Nicht-Schneider hat ja das beschnittene Stück erhalten, und selbst wenn ihm der Schnipsel komplett zugesprochen würde, hätte er in den Augen von A nicht mehr als den fairen Anteil bekommen, weil A den Kuchen in 3 subjektiv gleich große Stücke geteilt hatte. Mit anderen Worten: Egal, wie der Schnipsel verteilt wird, A wird auf den Nicht-Schneider nicht neidisch sein.
Sobald man dies eingesehen hat, ist der Rest reine
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