Warum Mathematik glücklich macht: 151 verblüffende Geschichten (German Edition)
ursprünglich hineingesteckt haben. So auch hier.
Die wichtigsten mathematischen Bezeichnungsweisen haben Einzug in alle Sprachen aller Kulturen gehalten. Mathematik ist die wahre Weltsprache. Aussagen wie die Symbolfolge x + 1 = 2 werden auf der ganzen Welt verstanden und gelöst.
Wörter mit Migrationshintergrund
Nicht nur die Mathematik, auch Deutsch ist eine Weltsprache, jedenfalls partiell und für einen exklusiven Club von Wörtern. Die Redensart «Hamburger Rechnung» ist ins Russische emigriert; nach Hamburger Rechnung handeln bedeutet dort «fair, gerecht und richtig handeln, ohne faule Kompromisse, dunkle Machenschaften oder verdeckte Vereinbarungen». Daneben gibt es einige Hundert deutsche Wörter in vielen anderen Sprachen. Geradewegs prächtig sind diese Beispiele ausgewanderter Wörter: orogasumusu (Japanisch für sexuellen Höhepunkt), wihaister (Polnisch für Dingsbums), Aberjetze (Afrikaans für Deutscher). Im Zusammenhang mit Fußballweltmeisterschaften heißt das deutsche Team im Arabischen el mannschaft. Im Dänischen ist bundesliga-hår das Wort für eine Vokuhila-Frisur. Das ultimative Highlight ist das finnische kaffepaussi, das in der Bedeutung von gerade nicht im Einsatz bzw. Betriebspause verwendet wird.
Trotz ihrer weltweiten Verbreitung ist die Mathematik leider auch eine nicht leicht zugängliche Sprache, die einer besonderen Schulung des Geistes bedarf. Mit ihr kann man komplizierte Dinge bündig ausdrücken. Allerdings lässt sie sich auch als eine Art Einschüchterungsprosa einsetzen, in der das Einfache kompliziert wird und das Triviale enorm. Als Wulst hat sich zusätzlich zum anspruchsvollen Realbetrieb ein immenser Überbau an Klischees, Paniken und Vorurteilen herausgebildet.
Viele Mathematiker können in der Regel ohne große Mühe auch wissenschaftliche Arbeiten anderer Disziplinen lesen und großenteils verstehen, doch man sagt nicht zu viel, wenn man erwähnt, dass das umgekehrt in der Regel nicht so ist. Die höhere Mathematik hat einen derart hermetischen Charakter, dass es zum Beispiel den meisten Germanisten oder Chemikern schwer fällt, Mathematik im Forschungsstadium auch nur ansatzweise zu verstehen. Diese Unzugänglichkeit ist sicher ein Grund dafür, dass Formeln bei vielen Menschen negative Gefühle auslösen und zu einem Formelfluchtreflex führen können.
Wie grübeln glanzvoll geht: Ästhetisierung der Mathematik
Man kann mit guten Gründen der Meinung sein, dass ein großes Hindernis für eine breite gefühlsmäßige Akzeptanz der mathematischen Symbolsprache ihre Minimalität und emotionale Kargheit ist. Diese Kargheit unterstreicht musterhaft schon die folgende einfache Aussage:
Zum Beispiel: Aus dem Satz «Wenn heute Mittwoch ist, dann ist morgen Donnerstag» folgt «Wenn morgen nicht Donnerstag ist, dann ist heute nicht Mittwoch.»
Formalismus als verungegenständlichte Kunst. Mathematische Wahrheiten bleiben bei Änderung der Bezeichnungsweise bestehen. Warum also nicht die Mathematik visuell beleben und einen Formalismus mit human touch einführen? Für die logischen Operationen Negation («nicht»), Konjunktion («und»), Disjunktion («oder»), Implikation («wenn, dann»), Äquivalenz («dann und nur dann») führen wir die Piktogramme
ein sowie ein Trennungszeichen
und Symbole, die Aussagen repräsentieren:
Dann wird aus der obigen kargen Mitteilung, die äquivalente, aber darstellungsästhetisch weit überlegene Wahrheit
und jeder Mathematiker wird gleichzeitig Piktogrammatiker.
Hat die neue Symbolik nicht mindestens so viel dynamischen Sex-Appeal wie ein Schwingdeckelmülleimer?
49. Literarisch-Mathematisches: Dichtung, nicht ganz petrarcagleich
Alljetzo kommt ein Limerick für Leute, die davon viel oder gar nichts verstehen:
Und für alle, denen es schwerfällt, in dieser Darreichungsform den Limerick zu lokalisieren, übersetzen wir ins Gestrophte und Gereimte:
A dozen, a gross and a score,/plus three times the square root of four,/divided by seven,/plus five times eleven,/equals nine squared and not a bit more.
… und die Gleichung ward Wort. Vielleicht die Geburtsform der neuen Kunstform des «Limathik». Mathematisch richtig ist das Ganze übrigens auch noch.
50. Klassisch-Erstklassisches
Im Jahr 1968 hat Marvin Spivack sich die Mühe gemacht zu ermitteln, dass Shakespeare alles in allem 884.647 Wörter publiziert hat und dass dabei 31.534 verschiedene Wörter, anders gesagt, verschiedene Zeichenfolgen, verwendet wurden. Die
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