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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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reißt. Deshalb löst sein Verhalten keine Überraschung mehr aus. Oftmals pflügt ein Mann den Boden, ein anderer besät ihn, und ein Dritter bringt die Ernte ein. So kommt es, dass es niemanden gibt, der sich um sein Land kümmert; niemand pflanzt einen Baum, weil er weiß, dass er kaum je die Früchte einsammeln wird. Für den König ist es jedoch nützlich, dass alle so abhängig von ihm sind.
    Diese Beschreibungen lassen starke Ähnlichkeiten zwischen den politischen und wirtschaftlichen Strukturen Äthiopiens und denen des europäischen Absolutismus erkennen. Aber sie machen auch deutlich, dass der Absolutismus in Äthiopien ausgeprägter und die Wirtschaftsinstitutionen noch extraktiver waren. Zudem haben wir im sechsten Kapitel aufgezeigt, dass Äthiopien nicht den gleichen Umbruchphasen unterlag, die beispielsweise zur Schwächung des absolutistischen Systems in England beitrugen. Äthiopien war von vielen Ereignissen abgeschnitten, welche die moderne Welt prägten. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte sich der Absolutismus infolge seiner Intensität noch weiter verstärkt. Zum Beispiel wurde der äthiopische Außenhandel, darunter der lukrative Sklavenverkauf, vom Monarchen kontrolliert. Das Land war also nicht völlig abgeschieden, auch weil Europäer angereist kamen, um nach dem Priesterkönig Johannes zu suchen, und es musste Kriege gegen die es umgebenden islamischen Staaten führen. Nichtsdestoweniger stellte der Historiker Edward Gibbon fest, dass die Äthiopier, an allen Seiten von den Feinden ihrer Religion umgeben, fast tausend Jahre geschlafen und die Welt vergessen hätten, die sie ebenfalls vergessen habe.
    Zu Beginn der europäischen Kolonisierung Afrikas im 19. Jahrhundert war Äthiopien ein unabhängiges Königreich unter Ras (Herzog) Kassa, der 1855 als Kaiser Tewodros II. gekrönt wurde. Tewodros machte sich an die Modernisierung des Staates und schuf eine stärker zentralisierte Bürokratie und Rechtsprechung sowie ein Heer, welches das Land unter Kontrolle halten und möglicherweise gegen die Europäer kämpfen konnte. Sämtliche Provinzen unterstellte er Militärgouverneuren, die Steuern einzutreiben und an ihn weiterzureichen hatten. Seine Verhandlungen mit europäischen Mächten gestalteten sich schwierig, und in seiner Erbitterung ließ er den englischen Konsul einsperren. Im Jahr 1868 entsandten die Engländer eine Expeditionsstreitmacht, die Tewodros’ Hauptstadt plünderte. Daraufhin beging er Selbstmord.
    Trotzdem gelang es seiner neu formierten Regierung, einen der großen antikolonialen Triumphe des 19. Jahrhunderts, und zwar gegen die Italiener, zu erringen. 1889 bestieg Menelik II. den Thron. Sofort musste er mit dem Bestreben Italiens, in seinem Land eine Kolonie einzurichten, fertig werden. 1885 hatte der deutsche Kanzler Bismarck eine Konferenz in Berlin einberufen, auf der die europäischen Mächte ein »Gerangel um Afrika« veranstalteten, in dessen Verlauf sie beschlossen, in welche unterschiedliche Interessenssphären der Kontinent aufzuteilen sei. Außerdem sicherte sich Italien die Rechte auf Kolonien in Eritrea entlang der Küste Äthiopiens und in Somalia.
    Äthiopien, obwohl nicht auf der Konferenz vertreten, blieb trotzdem unberührt. Aber die Italiener schmiedeten weiterhin Pläne, und im Jahr 1896 entsandten sie ein Heer aus Eritrea nach Süden. Meneliks Reaktion ähnelte der eines europäischen Königs im Mittelalter: Er befahl seinen Adligen, ihre Krieger zu den Waffen zu rufen. Er konnte zwar keine Armee für einen längeren Zeitraum aufbieten, doch es war ihm auf diese Weise möglich, kurzfristig ein Riesenheer ins Feld zu führen. Dies genügte, um die Italiener zu besiegen. Ihre fünfzehntausend Mann wurden von Meneliks hunderttausend Kriegern in der Schlacht von Adowa (1896) überwältigt. Es war die schwerste militärische Niederlage, die ein vorkoloniales Land jemals einer europäischen Macht zugefügt hatte, und sie gewährleistete die Unabhängigkeit Äthiopiens für weitere vierzig Jahre.
    Der letzte Kaiser von Äthiopien, Ras Tefari, wurde 1930 als Haile Selassie gekrönt. Eine zweite italienische Invasion, die 1935 begann, führte zu seinem Sturz, doch 1941 kehrte er mit Hilfe der Engländer aus dem Exil zurück. 1974 wurde er durch einen Putsch des Derg (»Komitee«), einer Gruppe marxistischer Heeresoffiziere, zur Abdankung gezwungen. Diese Junta machte sich dann daran, das Land noch weiter auszubeuten und verarmen zu lassen.

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