Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
politischer Institutionen viel wahrscheinlicher werden.
In Sierra Leone und Äthiopien dagegen war damit zu rechnen, dass das Eherne Gesetz der Oligarchie wirksam werden würde – nicht nur, weil die bestehenden Institutionen äußerst extraktiv waren, sondern auch, weil es sich weder bei der Unabhängigkeitsbewegung noch bei dem Derg-Putsch um das Werk breiter Koalitionen handelte. Vielmehr wurden die Revolutionen von Einzelnen und von Gruppen durchgeführt, die nach der Macht strebten, um die Ausbeutung zu ihrem eigenen Vorteil fortzusetzen.
Es gibt einen weiteren, noch destruktiveren Aspekt des Teufelskreises, den wir im Zusammenhang mit den Maya-Stadtstaaten im fünften Kapitel skizziert haben. Wenn extraktive Institutionen enorme soziale Ungleichheiten hervorbringen, die den Regierenden zu großem Reichtum und zu uneingeschränkter Macht verhelfen, werden viele bereit sein, um die Herrschaft über den Staat und die Institutionen zu kämpfen. Dann bereiten extraktive Institutionen nicht nur dem nächsten Regime, das noch eigennütziger sein wird, den Weg, sondern sie erzeugen auch ständige interne Machtkämpfe und Bürgerkriege. Solche Bürgerkriege verursachen noch mehr menschliches Leid und vernichten zudem jegliche staatliche Zentralisierung. Häufig beginnt dann ein Abstieg in die Gesetzlosigkeit, in den staatlichen Bankrott und in das politische Chaos, womit alle Hoffnungen auf wirtschaftlichen Wohlstand zunichtegemacht werden, wie das folgende Kapitel verdeutlicht.
13.
Warum Nationen heute scheitern
Wie man in Simbabwe in der Lotterie gewinnt
Es war im Januar 2000 in Harare, Simbabwe. Conférencier Fallot Chawawa leitete die Ziehung des Gewinnloses der nationalen Lotterie, die von einer teils im Staatsbesitz befindlichen Bank, der Zimbabwe Banking Corporation (Zimbank), organisiert wurde. Die Teilnahme stand allen Kunden offen, die im Dezember 1999 fünftausend oder mehr Simbabwe-Dollar auf ihrem Konto hatten. Chawawa zog das Los und war sprachlos. Wie es in der öffentlichen Erklärung der Zimbank hieß: »Conférencier Fallot Chawawa traute seinen Augen nicht, als man ihm das Los für den Preis von 100000 Simbabwe-Dollar reichte und er die Aufschrift ›Seine Exzellenz R. G. Mugabe‹ sah.«
Präsident Robert Mugabe, der Simbabwe auf Biegen und Brechen – und gewöhnlich mit eiserner Faust – seit 1980 regierte, hatte hunderttausend Simbabwe-Dollar in der Lotterie gewonnen, etwa das Fünffache des jährlichen Pro-Kopf-Einkommens. Die Zimbank behauptete, Mugabes Name sei unter denen von Tausenden teilnahmeberechtigter Kunden gezogen worden. Welch ein Glückspilz! Wie sich versteht, benötigte er das Geld nicht, zumal er sich selbst und seinen Kabinettsmitgliedern Gehaltserhöhungen von bis zu 200 Prozent gewährt hatte.
Das Lotterielos war ein weiteres Symptom für die extraktiven Institutionen von Simbabwe. Man könnte von Korruption sprechen, doch es handelt sich lediglich um einen Hinweis auf die institutionelle Malaise des Landes. Die Tatsache, dass Mugabe nach Belieben in der Lotterie gewinnen konnte, zeigte an, wie sehr er die Situation in Simbabwe unter Kontrolle hatte, und ermöglichte der übrigen Welt einen Blick auf das Ausmaß der extraktiven Institutionen.
Der häufigste Grund dafür, dass Staaten heute scheitern, ist in ihren extraktiven Institutionen zu suchen. Simbabwe unter Mugabes Regime liefert ein anschauliches Beispiel für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen solch eines Systems. Die offiziellen Statistiken sind sehr unzuverlässig, und die positivste realistische Schätzung läuft darauf hinaus, dass das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2008 ungefähr halb so hoch war wie im Jahr der Unabhängigkeitserklärung 1980. So drastisch dies klingt, es vermittelt nicht annähernd einen Eindruck von dem Verfall des Lebensstandards in Simbabwe. Der Staat ist zusammengebrochen und stellt nicht einmal mehr elementare öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung. Im Jahr 2008/2009 konnte sich die Cholera wegen der Verschlechterung des Gesundheitswesens im ganzen Land ausbreiten. Bis zum 10. Januar 2010 gab es 98741 gemeldete Fälle und 4293 Todesopfer. Damit handelte es sich um die verheerendste Cholera-Epidemie der vergangenen fünfzehn Jahre in Afrika. Außerdem hat auch die Massenarbeitslosigkeit nie dagewesene Höhen erreicht. Anfang 2009 verkündete das UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, die Arbeitslosigkeit liege bei unglaublichen
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