Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
Fähigkeiten optimal einzusetzen, und sie gestatten dem Einzelnen, freie Entscheidungen zu treffen. Um inklusiv zu sein, müssen Wirtschaftsinstitutionen Sicherheit für das private Eigentum, ein neutrales Rechtssystem und öffentliche Dienstleistungen zur Schaffung fairer Bedingungen bieten, die dem Menschen ermöglichen, frei zu handeln und Verträge abzuschließen. Sie müssen ferner die Gründung neuer Unternehmen erlauben und ihren Bürgern gestatten, selbst über die eigene berufliche Laufbahn zu bestimmen.
Der Kontrast zwischen Süd- und Nordkorea veranschaulicht ebenso wie der zwischen den Vereinigten Staaten und Lateinamerika ein allgemeines Prinzip. Inklusive Institutionen fördern die Wirtschaftsaktivität, die Produktivitätssteigerung und den allgemeinen wirtschaftlichen Wohlstand. Die Rechtssicherheit von Privateigentum spielt dabei eine zentrale Rolle, da nur Menschen, die solch eine Sicherheit haben, bereit sind, zu investieren und die Produktivität zu erhöhen. Ein Geschäftsmann, der damit rechnen muss, dass sein Gewinn gestohlen, enteignet oder weggesteuert wird, verspürt wenig Motivation zu arbeiten, geschweige denn Investitionen zu tätigen und Neuerungen durchzuführen. Doch solche Rechte müssen für die Mehrheit der Gesellschaft gelten.
Im Jahre 1680 führte die englische Regierung einen Zensus in der westindischen Kolonie Barbados durch. Er ergab, dass von der Gesamtbevölkerung der Insel, die rund 60000 Menschen umfasste, fast 39000 afrikanische Sklaven waren, die dem übrigen Drittel der Bevölkerung gehörten. In ihrer Mehrheit waren sie das Eigentum der 175 größten Zuckerplantagenbesitzer, die auch fast den gesamten Boden besaßen. Diese Pflanzer konnten sich auf sichere und gut durchsetzbare Eigentumsrechte über ihr Land und ihre Sklaven stützen. Wenn ein Plantagenbesitzer einem anderen Sklaven verkaufen wollte, hinderte ihn nichts daran, und er konnte sich darauf verlassen, dass er dabei das Gericht auf seiner Seite hatte. Warum? Von den vierzig Richtern und Friedensrichtern auf der Insel waren neunundzwanzig Besitzer großer Plantagen, ebenso wie die acht höchsten Militärvertreter. Trotz klar definierter, verlässlicher und in die Praxis umsetzbarer Eigentums- und Vertragsrechte für die Elite der Insel hatte Barbados keine inklusiven Wirtschaftsinstitutionen, da zwei Drittel der Bevölkerung Sklaven ohne Zugang zu einer Ausbildung oder zu wirtschaftlichen Chancen waren und weder die Möglichkeit noch den Anreiz hatten, ihre Begabungen und ihr Geschick zu nutzen. Inklusive Wirtschaftsinstitutionen erfordern solide Eigentumsrechte und wirtschaftliche Chancen nicht nur für die Elite, sondern für einen breiten Querschnitt der Gesellschaft.
Sichere Eigentumsrechte, Gesetze, öffentliche Dienstleistungen und die Freiheit, Verträge abzuschließen und Waren auszutauschen, hängen alle vom Staat ab – der Institution mit der Amtsgewalt, für Ordnung zu sorgen, Diebstahl und Betrug zu verhindern und zu ahnden und Verträgen zwischen Privatpersonen Geltung zu verschaffen. Um gut zu funktionieren, benötigt die Gesellschaft noch andere öffentliche Dienstleistungen: Straßen und ein Verkehrssystem zur Beförderung von Gütern; eine öffentliche Infrastruktur, damit die Wirtschaftstätigkeit gedeihen kann; und Grundverordnungen zur Verhinderung von Betrug und anderen Vergehen. Viele dieser öffentlichen Dienste können von der Wirtschaft und von Privatbürgern geleistet werden, doch die in großem Maßstab erforderliche Koordination ist oft nur einer Zentralbehörde möglich. Der Staat ist also unauflöslich mit den Wirtschaftsinstitutionen verknüpft, denn er sorgt für die Wahrung von Recht und Ordnung, sichert Privateigentum und Verträge und ist oft ein bedeutender Dienstleister. Inklusive Wirtschaftsinstitutionen benötigen und nutzen den Staat.
Den Wirtschaftsinstitutionen Nordkoreas oder denen des kolonialen Lateinamerika – mita, encomienda und repartimiento – fehlen solche Eigenschaften. Privateigentum existiert in Nordkorea nicht, und im kolonialen Lateinamerika verfügten zwar die Spanier über Privateigentum, doch das der einheimischen Völker war äußerst unsicher. In beiden Gesellschaftstypen war die große Bevölkerungsmehrheit nicht in der Lage, die von ihr gewünschten wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen, denn sie war Massenzwangsmaßnahmen unterworfen. In beiden Fällen wurde die Macht des Staates nicht eingesetzt, um für die Förderung des
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