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Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)

Titel: Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daron Acemoglu , James A. Robinson
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die Privilegierten sind in Nordkorea zu beneiden. Bei ihrer Begegnung erkundigte sich Hwang Pyŏng-Wŏn nach dem Leben nördlich des 38. Breitengrads. Er hatte ein Auto, sein Bruder jedoch nicht. »Hast du ein Telefon«, fragte er. »Nein«, erwiderte sein Bruder. »Meine Tochter, die im Außenministerium arbeitet, hat eines, aber wenn man den Code nicht kennt, kann man es nicht benutzen.« Hwang Pyŏng-WŎn wusste, dass die meisten Personen aus dem Norden, die an der Wiederbegegnung teilnahmen, um Geld gebeten hatten, weshalb er seinem Bruder eine gewisse Summe anbot. Doch dieser sagte: »Wenn ich mit Geld zurückkehre, wird mir die Regierung befehlen: ›Gib es uns.‹ Also behalte es lieber.« Hwang Pyŏng-Wŏn bemerkte, dass der Mantel seines Bruders schäbig war. »Zieh den Mantel aus und lass ihn hier. Trag meinen, wenn du zurückkehrst«, schlug er vor. »Das geht nicht«, antwortete sein Bruder. »Die Regierung hat mir meinen nur für die Reise hierher geliehen.« Hwang Pyŏng-Wŏn berichtete, dass sein Bruder, während sie sich voneinander verabschiedeten, unbehaglich und nervös wirkte, als werde er abgehört. Er war ärmer, als Hwang erwartet hatte. Zwar beteuerte er, ein angenehmes Leben zu führen, doch Hwang Pyŏng-Wŏn fand, dass er schrecklich aussah und spindeldürr war.
    Die Bürger von Südkorea haben einen Lebensstandard, der dem von Portugal und Spanien gleicht. Im Norden, in der Demokratischen Volksrepublik Korea, ist der Lebensstandard dagegen zehnmal niedriger und mit dem eines subsaharischen afrikanischen Landes zu vergleichen. Die Gesundheit der Nordkoreaner ist in einem noch schlimmeren Zustand; der Durchschnittsbürger hat eine zehn Jahre geringere Lebenserwartung als seine Landsleute südlich des 38. Breitengrads. Karte 7 illustriert die wirtschaftliche Kluft zwischen den beiden Koreas auf dramatische Weise. Sie gibt die nächtliche Lichtintensität anhand von Satellitenbildern wieder. Nordkorea ist wegen Strommangels fast völlig dunkel; Südkorea lodert vor Licht.

Karte 7: Lichter in Südkorea und Dunkelheit im Norden   
    Diese erstaunlichen Gegensätze sind nicht alt. Vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs existierten sie noch nicht. Aber nach 1945 organisierten die Regierungen im Norden und im Süden ihre Wirtschaft auf ganz unterschiedliche Art. Südkorea wurde, mit beträchtlicher Unterstützung der Vereinigten Staaten, von dem überzeugten Kommunismusgegner Syngman Rhee geführt, der in Harvard und Princeton ausgebildet worden war und die frühen wirtschaftlichen und politischen Institutionen gestaltete. 1948 wählte man ihn zum Präsidenten. Durch den Koreakrieg bedingt und mit der Gefahr konfrontiert, dass sich der Kommunismus über den 38. Breitengrad vorschob, war Südkorea keine Demokratie. Rhee und sein gleichermaßen berühmter Nachfolger, General Park Chung-Hee, sicherten sich ihren Platz in der Geschichte als autoritäre Präsidenten. Aber beide richteten eine Marktwirtschaft ein, in der Privatbesitz anerkannt wurde, und nach 1961 nutzte Park Chung-Hee die Macht des Staates für die Förderung eines raschen Wirtschaftswachstums, indem er erfolgreichen Firmen Kredite und Subventionen zukommen ließ.
    Die Situation nördlich des 38. Breitengrads sah anders aus. Kim Il-Sung, der im Zweiten Weltkrieg kommunistische Partisanen gegen die Japaner angeführt hatte, machte sich 1947 zum Diktator und etablierte im Rahmen des Juche-Systems mit Hilfe der Sowjetunion eine starre Form der zentralen Planwirtschaft. Privatbesitz und freier Handel wurden verboten. Man beschnitt die Freiheiten nicht nur auf dem Markt, sondern auch in jedem anderen Bereich des nordkoreanischen Lebens. Davon ausgenommen waren nur jene, die der sehr kleinen herrschenden Elite um Kim Il-Sung und später um seinen Sohn und Nachfolger Kim Jong-Il angehörten.
    Es dürfte nicht überraschen, dass sich die Konjunktur in Süd- und Nordkorea ganz unterschiedlich entwickelte. Kim Il-Sungs Kommandowirtschaft und das Juche-System erwiesen sich schon bald als Katastrophe. Detaillierte statistische Angaben liegen aus Nordkorea nicht vor, da es, gelinde gesagt, ein verschwiegener Staat ist. Gleichwohl bestätigen die verfügbaren Daten das, was wir bereits durch die allzu häufig auftretenden Hungersnöte wissen: Davon abgesehen, dass die Industrieproduktion nicht in Gang kam, hat Nordkorea auch einen Zusammenbruch der Landwirtschaft erlebt. Das Fehlen von Privatbesitz bewirkte, dass kaum jemand einen Anreiz hatte, zu

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