Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
produziert hätte, wäre vom König und seinem Gefolge vereinnahmt worden. Statt in die Erhöhung ihrer Produktivität zu investieren und ihre Erzeugnisse auf den Märkten zu verkaufen, verlegten die Kongolesen ihre Dörfer in möglichst ferne Gegenden. Sie strebten danach, nicht in der Nähe der Straßen zu leben, um die Plündereien einzuschränken und sich der Reichweite der Sklavenhändler zu entziehen.
Folglich war die Armut des Kongo auf die extraktiven Wirtschaftsinstitutionen zurückzuführen, die sämtliche Wohlstandsmotoren bremsten oder ihnen sogar entgegenwirkten. Die Regierung stellte den Bürgern zudem sehr wenig öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung, nicht einmal elementare wie Maßnahmen zur Absicherung der Eigentumsrechte oder zur Wahrung von Recht und Ordnung. Im Gegenteil, die Regierung war selbst die größte Gefahr für die Eigentums- und Menschenrechte. Die Existenz der Sklaverei hatte zur Folge, dass der fundamentalste Markt von allen nicht existierte: ein inklusiver Arbeitsmarkt, auf dem die Menschen ihren Beruf oder ihre Tätigkeit frei wählen konnten, was entscheidend für eine prosperierende Ökonomie ist. Zudem kontrollierte der König den Fernhandel und alle anderen kommerziellen Aktivitäten, die nur seinen unmittelbaren Gefolgsleuten offenstanden. Obwohl die Elite rasch des Lesens und Schreibens mächtig wurde, nachdem die Portugiesen die Schrift eingeführt hatten, machte der König keinen Versuch, den Alphabetismus auf die Gesamtbevölkerung auszuweiten.
Zwar war die »elende Armut« im ganzen Land verbreitet, doch die kongolesischen extraktiven Institutionen enthielten ihre eigene makellose Logik: Sie sorgten dafür, dass einige Menschen, diejenigen mit politischer Macht, sehr reich wurden. Im 16. Jahrhundert konnten der König und die Aristokratie des Kongo europäische Luxusgüter importieren, und sie waren von Dienern und Sklaven umgeben.
Die Wirtschaftsinstitutionen der kongolesischen Gesellschaft hatten ihre Wurzeln in der Verteilung der politischen Macht und damit im Wesen der politischen Institutionen. Außer einem drohenden Aufstand konnte nichts den König daran hindern, den Besitz und die Körperkräfte des Volkes für sich zu beanspruchen. So real diese Möglichkeit war, reichte sie nicht aus, die Menschen oder ihren potentiellen Wohlstand zu schützen. Die politischen Institutionen des Kongo waren wahrhaft absolutistisch, weshalb der König und die Elite praktisch keinen Kontrollen unterlagen, und sie gewährten dem Bürger kein Mitspracherecht an der Organisation der Gesellschaft.
Es ist nicht schwer zu erkennen, dass die politischen Institutionen des Kongo in einem scharfen Kontrast zu inklusiven Organen standen, durch welche die Macht eingeschränkt und breit gestreut wird. Die absolutistischen Institutionen des Kongo wurden von der Armee gesichert. Der König verfügte Mitte des 17. Jahrhunderts über ein stehendes Heer von fünftausend Soldaten, mit einem Kern aus fünfhundert Musketieren – eine für die damalige Zeit beeindruckende Streitmacht. Und es liegt auf der Hand, warum der König und seine übrigen Machthaber so eifrig nach europäischen Feuerwaffen griffen.
Unter solchen Wirtschaftsinstitutionen waren die Aussichten auf ein nachhaltiges Wachstum und selbst die Anreize zur Schaffung zeitweiligen Wachstums äußerst begrenzt. Eine Reform der Wirtschaftsinstitutionen hätte die kongolesische Gesellschaft als Ganzes viel wohlhabender werden lassen. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die Herrschenden von einem breiter angelegten Wohlstand profitiert hätten. Erstens wären die Aristokraten zu wirtschaftlichen Verlierern geworden, wenn man den durch Sklavenhandel und Sklavenplantagen angehäuften Reichtum beeinträchtigt hätte. Zweitens wären solche Reformen nur möglich gewesen, hätte die politische Macht des Königs und der Elite eingedämmt werden können. Wenn der König zum Beispiel weiterhin seine fünfhundert Musketiere kommandierte, wie hätte dann jemand einer Ankündigung, dass die Sklaverei abgeschafft worden sei, Glauben schenken können? Was hätte den König daran gehindert, seine Meinung wieder zu ändern?
Die einzige wirkliche Garantie wäre von einem Wandel der politischen Institutionen ausgegangen, durch den die Bevölkerung eine gewisse ausgleichende politische Macht und eine Mitsprache bei der Besteuerung oder bei den Einsätzen der Musketiere erhalten hätte. Aber dann wäre es zweifelhaft gewesen, ob die
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