Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut (German Edition)
blühenden Marktwirtschaft dar. Im Osten waren sie ebenfalls in einer Marktwirtschaft tätig, doch als Leibeigene, die Nahrungsmittel und andere im Westen begehrte Agrarprodukte anbauten. Es handelte sich also nicht um eine inklusive Wirtschaft. Der institutionelle Kontrast ließ sich auf eine Situation zurückführen, in der die Unterschiede zwischen den beiden Bereichen zunächst sehr geringfügig zu sein schienen: Im Osten waren die Grundherren besser organisiert als im Westen. Sie verfügten über etwas mehr Rechte und stärker konsolidierte Ländereien. Die Ortschaften waren schwächer und kleiner, die Bauern weniger gut organisiert. Im großen Rahmen der Geschichte schienen das unerhebliche Gegensätze zu sein. Doch diese kleinen Unterschiede zwischen Ost und West wurden sehr folgenreich für das Leben der jeweiligen Bevölkerung und für die künftige institutionelle Entwicklung nach der Erschütterung der Feudalordnung durch den Schwarzen Tod.
Der Schwarze Tod ist ein klares Beispiel für eine kritische Phase oder Umbruchphase, das heißt für ein bedeutendes Ereignis oder ein Zusammenspiel von Faktoren, welche das bestehende wirtschaftliche oder politische Gleichgewicht der Gesellschaft stören. Eine kritische Phase ist zweischneidig, denn sie kann eine drastische Wende in der Entfaltung einer Nation bewirken. Einerseits kann sie – wie in England – den Weg zur Unterbrechung des Zyklus extraktiver Institutionen eröffnen und die Entstehung von inklusiveren Einrichtungen ermöglichen. Andererseits kann sie das Aufkommen extraktiver Institutionen begünstigen, wie es während der Zweiten Leibeigenschaft in Osteuropa der Fall war.
Wenn wir verstehen, wie die Geschichte und die Umbruchphasen die Entwicklung wirtschaftlicher und politischer Institutionen bestimmen, können wir eine vollständigere Theorie über die Ursachen der unterschiedlichen Armuts- und Wohlstandsverhältnisse vorlegen. Daneben werden wir in den Stand gesetzt, die heutige Lage der Dinge und den Grund dafür zu erklären, warum manchen Staaten der Übergang zu inklusiven wirtschaftlichen und politischen Institutionen gelingt, anderen jedoch nicht.
Die Schaffung inklusiver Institutionen
England war einzigartig unter den Nationen, als ihm im 17. Jahrhundert der Durchbruch zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum gelang. Bedeutenden ökonomischen Änderungen ging eine politische Revolution voraus, die eine Reihe neuer wirtschaftlicher und politischer Institutionen erzwang. Diese waren viel inklusiver als die jeder früheren Gesellschaft. Die Arbeitsweise solcher Institutionen hatte tiefgreifende Folgen nicht nur für die wirtschaftlichen Anreize und den Wohlstand, sondern auch darauf, wer die Früchte der Konjunktur erntete. Ihre Entstehung verdankte sich nicht einem Konsens, sondern sie war das Ergebnis intensiver Konflikte, in deren Verlauf unterschiedliche Gruppen um die Macht konkurrierten, die Autorität ihrer Rivalen in Zweifel zogen und versuchten, die Institutionen zu ihren eigenen Gunsten zu gestalten. Die Höhepunkte der institutionellen Kämpfe des 16. und 17. Jahrhunderts bildeten zwei historische Ereignisse: der Englische Bürgerkrieg zwischen 1642 und 1651 und besonders die Glorreiche Revolution von 1688.
Durch die Glorreiche Revolution wurde die Macht des Königs und der Exekutive begrenzt; gleichzeitig wurde dem Parlament die Befugnis übertragen, die Wirtschaftsinstitutionen zu strukturieren. Außerdem stand das politische System nun einem breiten Querschnitt der Gesellschaft offen, und diese Schichten übten einen beträchtlichen Einfluss auf die Funktionsweise des Staates aus. Die Glorreiche Revolution lieferte die Grundlage für eine pluralistische Gesellschaft und beschleunigte den Prozess der politischen Zentralisierung. Sie schuf die ersten inklusiven politischen Institutionen der Welt.
Infolgedessen wurden die Wirtschaftsinstitutionen ebenfalls inklusiver. Weder die Sklaverei noch die strengen ökonomischen Einengungen des feudalistischen Mittelalters, etwa die Leibeigenschaft, existierten am Anfang des 17. Jahrhunderts in England. Gleichwohl gab es zahlreiche Restriktionen hinsichtlich der Wirtschaftstätigkeit, der die Menschen nachgehen durften. Sowohl der inländische als auch der internationale Markt befand sich im Klammergriff von Monopolen. Der Staat verhängte willkürliche Steuern und manipulierte das Rechtswesen. Grund und Boden wurden auf der Basis archaischer Eigentumsrechte verwaltet, die es
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