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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Wald gegangen, um Holz zu schlagen, damit ich es warm hatte, und sie hat mich zur Schule geschickt, trotz Schnee und Eis. Die Hälfte der Zeit hatten wir kaum das Nötigste zum Leben, aber das hat sie nicht davon abgehalten, mir neue Stiefel oder eine warme Jacke zu kaufen.«
    »Und dein Vater?« Serge war ein Eishockeystar gewesen, ein Profi. Gewiss hatte er genug verdient, um seiner Familie ein gesichertes Auskommen zu bieten.
    »Zum Glück schlage ich mehr meiner Mutter als meinem Vater nach, wie du sehen wirst. Es besteht kein Grund, über ihn zu sprechen. Dafür ist der Abend zu schade.«
    May hätte gerne mehr erfahren, aber sie ließ das Thema fallen. Es war an der Zeit, dass Martin sie nach Hause fuhr. Tante Enid blieb nicht gerne lange auf und May musste nach Hause, zu Kylie. Auf dem Heimweg hielten sie unter der Holden Bridge noch einmal an.
    Die riesige Brücke überspannte den Connecticut River, ihre Lichter funkelten wie eine untergegangene Stadt in der trägen Strömung. May deutete nach oben, auf die schmale Laufplanke hoch droben über ihren Köpfen, die Tobin und sie am Abend ihres Highschoolabschlusses überquert hatten.
    »Stark und mutig«, sagte er.
    »Und töricht. Ich würde vor Angst sterben, wenn Kylie auf diese Idee käme.«
    »Bestimmt bist du auch mit deinen Verehrern hierher gekommen.« Martin legte die Arme um sie, küsste sie im Schatten der Brücke, lange und zärtlich. Als sie sich voneinander lösten, war sie froh, dass er seine Frage vergessen hatte und sie ihm nicht gestehen musste, dass sie so etwas noch nie getan hatte, noch nie mit jemanden dort gewesen war, außer mit ihm.
    *

    Sie fuhren hinunter zum Strand, setzten sich in den Sand und lauschten dem sanften Rauschen der Brandung. May deutete nach Osten, auf das Marschland des LovecraftNaturschutzgebiets, das so undurchdringlich wie ein Labyrinth war, und erzählte ihm von ihrer furchtbaren Begegnung mit der Leiche Richard Perrys … er hatte nicht mehr aus noch ein gewusst und sich an einem Baum erhängt … und sie und Kylie hatten ihn gefunden.
    »Fingen ihre Visionen damals an?«
    »Kurz danach«, sagte May.
    »Ist Visionen das richtige Wort?«
    Immer wenn sie über Kylie sprachen, empfand May zusätzliche Besorgnis. Ihre Tochter war das Kostbarste, was sie auf der Welt besaß, und sie war bereits von anderen Menschen verletzt worden, einschließlich ihres leiblichen Vaters. »Ja. So könnte man es bezeichnen«, erwiderte May vorsichtig.
    Martin nickte. »Ich verstehe.«
    »Es ist ein ungewöhnliches Phänomen. Die meisten Leute würden es nicht verstehen. Ihr Lehrer hat es ›Halluzinationen‹ genannt. Aber sie ist nicht schizophren …«
    »Natürlich nicht. Was wissen Lehrer denn schon?«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt darüber reden sollte, aber du weißt ja bereits, dass Kylie diese Vision im Flugzeug hatte. Wir versuchen, es geheim zu halten.«
    »Ich kann schweigen wie ein Grab, wenn es das ist, was du möchtest. Aber ich an deiner Stelle wäre stolz darauf, May.«
    »Warum?«
    »Weil sie ein wunderbares Mädchen ist. So feinfühlig wie ihre Mutter und Großmutter und alle starken Frauen in deiner Familie, die sich auf Magie verstehen. Sie setzt nur eine uralte Tradition fort.«
    May ließ sich zu einem Lächeln hinreißen. Das blaue Notizbuch befand sich in ihrer Handtasche. Manchmal war es ihr selbst unheimlich, wenn sie ihre Eintragungen las. Die meisten Menschen hatten Angst vor Dingen, die sich nicht mit dem gesunden Menschenverstand erklären ließen, und bei ihrer Tochter gab es viel, was ihr rätselhaft war. Jemanden zu haben, mit dem sie darüber reden konnte, der Kylie in demselben wunderbaren Licht sah wie sie, machte sie glücklich und dankbar.
    »Danke, Martin.«
    »Keine Ursache.« Er blickte auf das Wasser, das durch die Strömungen und die gekräuselten Wellen Schatten warf. Die Sonne ging unter, tauchte die Schaumkronen und schroffen Klippen in violettes Licht. »Erzähl mir, was es mit diesem Wasser auf sich hat. Ist das Meerwasser? Ich verbringe so viel Zeit auf Kufen, dass ich meine eigene Umgebung kaum kenne. Kanada ist meine Heimat und steht auf einem anderen Blatt, aber Neuengland ist mir völlig fremd. Was ist das hier, der Atlantische Ozean?«
    »Nein, der Klang von Long Island.«
    »Aber das ist Salzwasser, oder?«
    »Ja.« Sie lächelte. »Das ist so was Ähnliches wie ein Meeresarm. Der Atlantik liegt direkt vor unserer Nase –« Und dann erklärte sie ihm, dass sich der

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