Was allein das Herz erkennt (German Edition)
zu deinem rechtmäßigen Ehemann nehmen, in guten wie in schlechten Tagen, in Reichtum und Armut, in Krankheit und Gesundheit, bis dass der Tod euch scheidet?«
»Ich will«, sagte May und blickte über ihre verschränkten Hände hinweg in Martins blaue Augen, lange und eindringlich, um ihn wissen zu lassen, dass sie ihm ewige Treue gelobte – vor Gott, der Natur, dem Priester und den Menschen, die sie am meisten liebte.
»Und willst du, Martin, diese Frau zu deiner rechtmäßigen Ehefrau nehmen, in guten wie in schlechten Tagen, in Reichtum und Armut, in Krankheit und Gesundheit, bis dass der Tod euch scheidet?«
»Ich will«, sagte Martin ernst, mit solcher Inbrunst und Überzeugung in seinen Augen und seinem Tonfall, dass May spürte, dass sie einander auf immer verbunden waren.
Sie sahen sich an, die schlichten Worte des Eheversprechens hallten über den See, wurden von den Bergen zurückgeworfen, und die Zeit schien stillzustehen.
» Mes enfants «, sagte der Priester und segnete sie auf Französisch, Englisch und Latein, schlug das Zeichen des Kreuzes mit der rechten Hand. Wie aus dem Nichts kam plötzlich ein Wind auf, kräuselte den See und brachte Tante Enids Lichterboote auf den kleinen Wellen zum Schaukeln. Gänseblümchen und Veilchen fielen aus Kylies Korb, landeten auf dem Wasser.
»Damit erkläre ich euch zu Mann und Frau«, sagte der alte Priester, zuerst auf Französisch und danach, um das Maß voll zu machen, auf Englisch.
Martin umfasste Mays Gesicht mit beiden Händen und blickte sie lange und innig an. Sie hatte das Gefühl, dass er ihr etwas sagen wollte, eine stumme Botschaft, die zu tief und zu wichtig war, um sie laut auszusprechen. May erging es nicht anders. Sie streckte die Hand aus, zeichnete mit den Fingerspitzen seine Wange, sein Ohr, seinen Hinterkopf nach. In seinen Augen glühte ein Feuer. Immer und ewig, dachte sie. Ich werde dich immer und ewig lieben .
»Sie dürfen jetzt die Braut küssen«, sagte der Priester genau in dem Moment, als Martin sie in die Arme schloss, sie sanft an sich zog und schließlich die Braut küsste.
*
Die kleine Hochzeitsgesellschaft begab sich auf die Veranda vor dem Haus, wo Torte und Champagner warteten. Kylie erhielt ein Glas Ginger Ale zur Feier des Tages und als die Erwachsenen die Gläser hoben, stieß sie mit ihnen an. Sie hörte zu, wie alle lachten und durcheinander redeten, während aus einer alten Stereoanlage im Wohnzimmer leise Musik ertönte. Die Gardners schienen furchtbar nett zu sein, und Kylie freute sich, als sie immer wieder aufgeregt beteuerten, wie sehr sie sich für Martin freuten und was für eine riesige Überraschung es gewesen sei, als sie von seiner bevorstehenden Heirat erfuhren.
Genny stand neben Mommy, stellte ihr tausend Fragen und meinte, sie sei sehr mutig, weil sie dem Club der Eishockey-Ehefrauen beigetreten sei. Tobin blieb in der Nähe; sie wollte Genny damit wohl zu verstehen geben, dass Mommy bereits eine beste Freundin hatte. Martin machte Ray mit Tante Enid bekannt und erzählte ihr, dass sie seit ihrer Kindheit die besten Freunde waren und an kalten Wintertagen auf Schlittschuhen miteinander zur Schule gefahren waren.
»Und ihr lauft heute noch Schlittschuh miteinander!«, rief Tante Enid in ihrer freudestrahlenden Art, die Kylie so an ihr liebte.
»Wir sind eben Glückspilze«, sagte Ray.
»Ja, das seid ihr. Genau wie May sich glücklich schätzen darf, eine Freundin wie Tobin zu haben. Sie kennen sich seit der ersten Klasse.«
»Wirklich?« Genny lächelte.
»Ja, wir gingen immer gemeinsam heim«, bestätigte Tobin. »Wir waren den ganzen Tag in der Schule zusammen und danach spielten wir miteinander, bis uns unsere Mütter nach Hause riefen.«
»Das ist noch heute so«, warf Tante Enid ein. »Sie arbeiten den ganzen Tag zusammen, und danach verschwinden sie mit ihren Fahrrädern. Stimmt’s, Kylie?«
»Stimmt.«
»So ein Glück …«, sagte Genny.
Der Priester war sehr alt und sein schwarzes Gewand roch nach Mottenkugeln. Er musste früher gehen, aber er beugte sich zu Kylie hinab und machte das Kreuzzeichen auf ihrer Stirn. Dabei sah er ihr direkt in die Augen, als könnte er Gedanken lesen.
»Wie alt bist du?«, fragte er.
»Sechs.«
»Das dachte ich mir.« Er nickte.
»Martin und meine Mutter sind jetzt verheiratet«, sagte Kylie, obwohl es eigentlich eine Frage sein sollte.
»Ja, das sind sie.«
»Obwohl das da keine Kirche ist?« Sie blickte zum Pavillon hinunter.
»Ja.
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