Was allein das Herz erkennt (German Edition)
unruhig gewesen.
»Alles klar, Martin?«, fragte Pete und kam zu ihnen herüber. »Bei Ihnen auch, May?«
»Könnte sein, dass ich Ihnen nachher den Hals umdrehe«, knurrte Martin.
Pete lachte. Martins Schultermuskeln spannten sich, genauso wie in dem Moment, wenn er den Drang verspürte, seinen Gegner auf dem Eis mit einem Slam in die Bande zu donnern. Aber Pete war ein netter Kerl. Es war nicht sein Verschulden, sondern seine Aufgabe, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten.
Folglich hatten sie die Köpfe zusammengesteckt und gemeinsam eine Strategie ausgeheckt, wie man den Medien begegnen sollte. In einem Stanley-Cup-Jahr schirmte Boston seine Eishockeystars nach allen Regeln der Kunst ab. Pete hatte Martin erzählt, dass eine Illustrierte May als »Goldgräberin« bezeichnet hatte. Daraufhin hatte Martin vorgeschlagen, Pete solle den Herausgeber warnen und ihn dazu veranlassen, diese Bezeichnung zurückzunehmen, oder der Betreffende könne sich nach einem neuen Gesicht umsehen. Martin wollte, dass Pete alleine mit den Reportern redete, aber Pete war der Meinung, dass sich künftige Übergriffe am besten vermeiden ließen, wenn man ihnen die Möglichkeit gab, May und Kylie in aller Fairness unter die Lupe zu nehmen.
Deshalb hatte Martin der Pressekonferenz zugestimmt.
»Bist du bereit, Liebste?«
May nickte, nervös und angespannt. Martin sah Pete finster an und gab das Startzeichen. Als Pete vor die Kamera trat, rückte er seine Krawatte zurecht und strich sein Haar zurück. Die Reportage sollte von einigen Bostoner Sendern live übertragen werden und einer der Aufnahmeleiter begann mit dem Count-down. »Vier, drei, zwei …«
»Am siebzehnten Juni 2000 gaben sich Martin Cartier und May Taylor das Jawort. Die Hochzeit fand im engsten Familien- und Freundeskreis am Lac Vert, in der idyllischen Bergwelt der Laurentides, nördlich von Quebec in Kanada, statt. Die beiden möchten Sie nun, gemeinsam mit Ms. Taylors Tochter Kylie, begrüßen und stehen Ihnen gerne für weitere Fragen zur Verfügung.«
»Cartier, Mommy«, sagte Kylie.
»Ich weiß, Liebes«, flüsterte May erschrocken. Sie starrte auf die geschlossene Front der Kameras wie ein Reh, das vom Scheinwerferlicht gelähmt war.
»Aber er hat Taylor gesagt, und dabei sind wir jetzt Cartiers!«
»Richtig, Kylie«, sagte Martin mit Nachdruck, als die Meute der Reporter zu lachen begann, Pete verzweifelt den Kopf schüttelte und lautlos die Worte »Entschuldigung« murmelte.
»Ich finde das nicht komisch«, erwiderte Kylie stirnrunzelnd.
Doch nun kamen die Fragen, unerbittlich, Schlag auf Schlag.
»Martin, wie haben Sie sich kennen gelernt?«
»Mrs. Cartier, wie haben Sie ihn auf sich aufmerksam gemacht?«
»Um welche Uhrzeit haben Sie geheiratet? Wer genau waren die Gäste?«
»Apropos engster Familienkreis – wusste Serge Cartier von der Hochzeit? Wie hat Ihr Vater reagiert? Hat er Ihnen Glückwünsche geschickt? Haben Sie ihm Ihre Frau schon vorgestellt?«
»Glauben Sie, dass Ihre Leistung in den Stanley Cup Finals unter Ihren Heiratsplänen gelitten hat?«
»Für eine Hochzeitsplanerin muss das doch der Coup des Jahrhunderts gewesen sein! Wie haben Sie das geschafft?«
»Warum die überstürzte Hochzeit? Warum die Geheimniskrämerei?«
»Mrs. Taylor, haben Sie das Gefühl, dass er Ihretwegen den Stanley Cup verloren hat?«
»Es gehen Gerüchte um, was diese seltsamen Rosenblätter betrifft, May. Können Sie erklären –«
»Ihr Name ist ›Mrs. Cartier‹«, sagte Martin so laut und schneidend, dass sich etliche Tontechniker fluchend die Kopfhörer herunterrissen.
»Entschuldigung«, erwiderte der Reporter, ein widerlicher Mistkerl mit Haaren, die zu dunkel waren für sein Alter und bei dem Wind zu perfekt saßen. Mit einem süffisanten Lächeln fuhr er fort, sie ins Kreuzverhör zu nehmen. »Mrs. Cartier, können Sie uns die Geschichte erklären, die derzeit in Boston die Runde macht – dass Sie Martin Rosenblätter vor den Playoffs gegeben haben?« So wie er das Wort Rosenblätter aussprach, hätte er genauso gut »Spanische Fliege« sagen können.
Martin fragte sich, wer der Presse den Tipp mit den Rosenblättern gegeben haben mochte; es musste jemand aus seiner eigenen Mannschaft sein. Seine Rückenmuskeln zitterten vor Anspannung, als er sich innerlich wappnete, dem Reporter die Zähne einzuschlagen. »Wenn man jemanden liebt, tut man alles, um zu helfen«, erwiderte May scharf.
»Nachzuhelfen, meinen Sie? Damit er sich in
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