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Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Was allein das Herz erkennt (German Edition)

Titel: Was allein das Herz erkennt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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sagte ihn bei jeder Gelegenheit, sei es bei der Morgenzeitung oder beim letzten Kaffee am Abend.
    »Sie haben in aller Stille geheiratet. Die wahre Liebe, wie rührend«, sagte Buford.
    Aber Serge hörte kaum hin. Er starrte das kleine Mädchen auf dem Foto an. Mays Tochter Kylie, hieß es in dem Artikel. Kindermund tut Wahrheit kund, schrieb der Reporter. Wie von ihrer eigenen Tochter zu hören war, hatte die Mutter die Heirat seit einiger Zeit geplant und den Goldenen Vorschlaghammer mit New-Age-Methoden eingefangen.
    Kylie trug Natalies Baseballkappe. Serge legte den Finger auf das Bild. Die alte Kappe hätte er überall wiedererkannt. Er hatte zwei Kappen seinem Freund John LeGrange, dem Coach der Blue Jays, aus dem Kreuz geleiert. Als die Baseballsaison eröffnet wurde, hatte er sie ihnen geschickt, eine für Natalie und eine für Martin. Martin musste sie Kylie gegeben haben.
    »Sie treibt kein Spielchen«, wiederholte Serge.
    »Was?«
    »Er hätte dem Kind die Kappe nicht gegeben, wenn die Mutter eine falsche Schlange wäre.«
    »Was ist los mit dir, wirst du sentimental auf deine alten Tage? Sollen wir uns heute Abend vielleicht ein Herz-Schmerz-Video mit James Steward reinziehen? Ich mach das Popcorn, du mixt die Martinis.«
    Serge konnte seine Augen nicht von dem Familienfoto abwenden. Er blickte es an, bis seine Augen tränten. Er wünschte, die Aufnahmen wären nicht so körnig, dann könnte er die Gesichter besser erkennen. Natalies Kappe, dachte er. Eine schöne Kappe. Sie passte Kylie wie angegossen. Sie stand ihr.
    »Sieht nett aus«, sagte Serge laut. »Passt wie angegossen.«
    »Entweder hörst du mit dem Alzheimer-Gesülze auf, oder du hältst die Klappe.«
    »Halt doch selbst die Klappe«, murmelte Serge, aber so, dass niemand ihn hören konnte. Er hatte einen gesunden, wenn auch unguten Respekt vor diesem Insassen. Buford war im gleichen Metier tätig gewesen wie der Mann, der Serge einen Besuch abgestattet hatte, als er seine Enkelin das letzte Mal gesehen hatte.
    Das letzte Mal, das letzte Mal, dachte Serge. Wenn er nur die Zeit zurückdrehen könnte. Wenn er nur dieses letzte Mal ungeschehen machen könnte. Er starrte das Foto an, bis es vor seinen Augen verschwamm. Natalie war tot. Das war eine Tatsache, an der sich nichts ändern würde, und Serge wusste, dass es seine Schuld war. Nun hatte Martin eine neue Familie, die er nie kennen lernen würde.
    Und Serge wusste, dass er sich das ebenfalls selbst zuzuschreiben hatte.
    *

    Das Eishockeytraining hatte bereits begonnen, aber die Cartiers blieben sicher und unbehelligt in Black Hall, bis die reguläre Saison begann. Die Presse war sensationsgierig und May wollte deshalb der Arena so lange wie möglich fern bleiben. Ihr Telefon klingelte nun häufiger – neue Kundinnen, Fremde mit Ermutigungen oder Hasstiraden, Reporter, die um ein Interview baten. Schließlich schaltete sie einen Auftragsdienst ein, der die Nachrichten für sie entgegennahm.
    Von Genny kam ein ermutigender Brief, zusammen mit einem großen Korb Äpfel vom Lac Vert und einem Glas mit Apfelgelee. May backte einen Apfelkuchen und stellte jeden Tag das Apfelgelee zusammen mit englischen Muffins auf den Frühstückstisch. Allein das Wissen, dass Genny die gleiche Erfahrung mit dieser Art von öffentlicher Aufmerksamkeit gemacht hatte, ließ sie diese Tortur leichter ertragen.
    Kylies Mitschüler begannen, sie anders zu behandeln. Einige Mädchen, die sie vorher nie beachtet hatten, rissen sich nun darum, ihre Freundin zu sein. Sie wurde zu Geburtstagsfeiern von Kindern aus der dritten, vierten und fünften Klasse eingeladen, alles Jungen und Mädchen, die sie nicht einmal kannte. Andere Kinder hänselten sie, weil sie May dabei geholfen hatte, dass Martin sie heiratete.
    Es wurde so schlimm, dass sie eines Tages aus dem Schulbus stieg, in die Scheune lief und sich ihrer Mutter schluchzend in die Arme warf. Es war ein goldener Herbsttag, von der Farbe getrockneten Weizens, und noch sommerlich genug, um kurze Ärmel und Jeans zu tragen.
    »Wir haben Martin nicht verhext, oder, Mom?«, weinte Kylie, die Arme um Mays Taille geschlungen, während Tobin fassungslos zusah.
    »Nein, Liebes, das haben wir nicht.«
    »Er hätte dich auch so geheiratet.«
    »Ja, hätte er.«
    »Was ist Bast?«
    »Bast? Das weißt du doch.« May lächelte verwirrt. »Aus dem machen wir unsere Blumenkörbe.«
    »Aber wenn ein Mensch damit gemeint ist? Wenn ich gemeint bin?«
    »Wovon redest du?« May wurde

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