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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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Sophie hin und stieß einen gewaltigen, bebenden Seufzer aus.
    «Arbeitest du gerade an etwas?» fragte Claire Sophie.
    «Im Augenblick nicht. Vielleicht später.»
    «Wie angenehm muß es sein,
nicht
an etwas zu arbeiten», sagte Leon. «Wie angenehm, zu lesen, nicht beeinträchtigt von irgendwelchen Zwecken. Sie müssen reich sein.»
    «Ich habe keine ernsthafte Einstellung mehr zur Arbeit», sagte Sophie kühl. «Es ist keine Frage des Geldes.»
    Leon hustete ein quietschendes Lachen aus. «Wenn Sie kein Geld hätten, würden Sie die Sache ernst nehmen», sagte er.
    «Ich habe einen russischen Film gemacht», sagte Claire. «Gott sei Dank sind sie im Realismus steckengeblieben, stehen auf Zola. Untertitel für ihre Filme zu machen ist wie Titel für ein Kinderbilderbuch zu finden.»
    «Ich stehe auf Zola», sagte Leon. «Ich stehe auf alles bis zum ersten Januar 1900. Was hast du mit dem Wein gemacht, Claire?»
    «Warum versuchst du es nicht mit einer Übersetzung?» fragte Sophie Claire.
    «Das dauert mir zu lange. Ich habe keine Geduld für irgend etwas außer Kochen. Und die Bezahlung ist eine Beleidigung.»
    «Das kommt dir so vor, weil du reich bist. Die Reichen werden immer von Geld beleidigt … Warum trägst du deine Haare im Afrolook, Claire? Warum zum Teufel reißt du dich nicht zusammen?»
    «Geh zurück zu deiner idiotischen Frau, Alter», sagte Claire gereizt. «Hast du Hunger, Sophie? Ich habe ein tolles Essen zubereitet.»
    «Ich sollte schon zu Hause sein», teilte Leon niemandem Bestimmten mit. «Ich sollte eine entsetzliche Magisterarbeit lesen. Eine wahre Qual für mich. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was für eine Qual das ist … Die Frau ist eine Lehrerin, die sich weiterbilden will, und sie haßt das Thema, das sie selbst ausgewählt hat, und sie haßt mich. Es ist alles ein einziger Betrug.»
    «Als Leon und ich heirateten, vor Ewigkeiten», begann Claire, «haben wir viele Versammlungen besucht, und manchmal ging eine Versammlung in eine Party über, und ich saß Leon zu Füßen und hörte den Männern zu. Oh … wie sie redeten! Es war, vermute ich, zivilisiertes Geplapper. Es hatte jedenfalls nichts mit dem zu tun, was ich je in Concord gehört hatte, wo ich aufgewachsen bin – und doch, woran ich mich erinnere, das einzige, woran ich mich erinnere, ist nicht, worüber sie alle geredet haben, sondern sind die Ehefrauen, vor allem die älteren, die wie Rentnerinnen auf ein paar persönliche Worte warteten.»
    «Unsinn!» sagte Leon ungeduldig. «Du bist schrecklich sentimental. Du hast Intellektuelle immer gehaßt, weil sie dir das Gefühl gaben, nichtjüdischer Dreck zu sein!»
    «Intellektuelle!» schrie sie. «Diese Dilettanten! Diese Blödmänner, die sich selbst verherrlichen!»
    «Ach, Claire», protestierte er. «Sprich nicht so!» Er sah wirklich gekränkt aus.
    «Schrei mich nicht an», sagte sie.
    «Du machst mich wütend. Das waren ernst zu nehmende Leute –»
    «Okay, okay, tut mir leid», sagte sie. Er schüttelte den Kopf. Sie sahen sich lange an, dann fragte Leon mit sehrleiser Stimme: «Hast du den Wein in den Eisschrank getan? Du wirst es nie kapieren. Ich bin sicher, daß du ihn in den Eisschrank gestellt hast.»
    Claire machte ein böses Gesicht und bewegte sich in ihrem Sessel gerade so weit, daß sie den Eindruck erweckte, sie würde Leon den Rücken zukehren. «Geht ihr den Sommer über nach Flynders?» fragte sie Sophie.
    «Ich glaube schon.»
    «Ihr Mann ist Rechtsanwalt, oder?» sagte Leon. «Sie haben Kinder? Nein? Da sind Sie besser dran. Ich habe einen Sohn von meiner zweiten Frau. Du erinnerst dich bestimmt an sie, Claire.» Er kicherte leise. «Er ist zwanzig, mit dem Verstand eines Neugeborenen. Ich habe gestern einen Brief von ihm bekommen – er muß im Rinnstein eine Briefmarke gefunden haben –, den ich dummerweise vor meiner ersten Vorlesung – amerikanische Prosaliteratur des 19. Jahrhunderts – gelesen habe, und der wohl … ein Gedicht gewesen sein soll. Über die große Einheit allen Seins – darüber sollten Sie übrigens Freuds Brief an Romain Rolland lesen –, über seinen Vater, der die Einheit allen Seins leugnet, über sein Gebet für seinen Vater, damit er von seinen bürgerlichen Zwängen befreit werde. Er glaubt, daß die Geschichte 1948, im Jahr seiner Geburt, begann. Ich habe versucht, ihm diesen Irrglauben auszureden, aber mein Wissen kann sich nicht mit seiner Ignoranz messen. Bei der leisesten Anspielung auf irgendeinen

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