Was am Ende bleibt
langweilig –, und ich habe beschlossen, sie zu übernehmen, vermutlich nur, um mir zu beweisen, daß ich das konnte.»
«Wer ist es?»
«Mrs. Cynthia Kornfeld. Sie kam mit einem gebrochenen Zeigefinger und achtzehn Stichen in der Kopfhaut in die Kanzlei.» Er gab Gas. Für Ottos Verhältnisse war das der dramatische Beginn einer Geschichte. Sophie bemerkte,daß ihn die Vorstellung, etwas zu tun, was ihm gegen den Strich ging, erregt hatte. Er warf einen Blick zu ihr hinüber, lächelte, schätzte vielleicht die Wirkung seiner Worte ab. Sie lachte zurück und forderte ihn auf weiterzuerzählen.
«Ihr Mann ist ein richtiges Aas – ich sollte das nicht sagen, es ist der falsche Ansatz – namens Abe Kornfeld. Vor zwei Jahren ist er plötzlich zu Geld gekommen. Und zwar hat er in einem dieser Läden an der Canal Street ein Dutzend gebrauchter Schreibmaschinen aufgekauft. Die nahm er dann auseinander und motzte sie irgendwie auf, indem er sie wieder zusammenbaute und die Tasten so anordnete, daß sie irgendwelche mystische Nonsenswörter ergaben. Eine Galerie organisierte eine Ausstellung für ihn. Er bekam zweitausend Dollar für ein Standardmodell und tausend für eine Portable. Das war seine erste Ausstellung. Er arbeitete Kategorien aus, die es ihm erlaubten, erheblich mehr zu verlangen – eine Standard Royal war zum Beispiel viel mehr wert als eine Standard Smith-Corona, und eine Portable mit japanischen Schriftzeichen kostete noch mehr als die beiden anderen. Sie hatten fünfzehn Jahre in einer Wohnung an der Hudson Street gewohnt, in so einer, die über ein ganzes Stockwerk geht. Jetzt aber funktionierte er ein Zimmer in eine Werkstatt um, und sie gab ihre Stelle als Aushilfslehrerin auf – sie hatte ihn ausgehalten, als er noch als Maler arbeitete –, und sie fingen an, diese Dinger zu einem enormen Preis auf den Markt zu werfen. Sie behauptete, es sei kinderleicht, sie würde es mir zeigen, wenn ich es selbst machen wollte, und sie könnten sich noch immer nicht vor Bestellungen retten. Sie war wie betäubt von dem Geld, das hereinströmte – und hatte Angst. Sie sagte, sie habe das Gefühl, es sei nur wieder irgendeine Neuheit und würde aus dem Blickfeld verschwinden, sobaldirgend etwas anderes auftauche. Aber er meinte, es sei ein Durchbruch; Schreibmaschinen zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen, sie in Form eines Orakels zu vermenschlichen, sei ein direkter Schlag gegen das amerikanische Banausentum. Er zertrampelte seine alte Staffelei und warf sie auf die Straße und zerstörte seine ganze bisherige Arbeit. Und dann fing er an, Sachen zu kaufen. Zum Beispiel eine Uhr von Piaget. Er entfernte beide Zeiger und sagte seiner Frau, er würde sich durch sein Glück nicht verderben lassen, wenn er seiner Vorliebe für Luxusgegenstände fröne, vielmehr würde er sie immer so weit umformen, daß sie in ihrer Funktion gestört würden. Der Abend, an dem er sie verprügelt hat, ging damit los, daß er spät nach Hause kam, kurz nachdem sie das Kind zu Bett gebracht hatte. Zu dem Zeitpunkt erledigte sie bereits die meiste Arbeit an den Schreibmaschinen und wußte nicht, wohin er tagsüber ging. An diesem Abend trug er ein Exemplar von
Mein Kampf
bei sich. Als sie klagte, daß sie müde sei und daß sie etwas beim Chinesen oder eine Pizza zum Abendessen holen müßten, warf er mit dem Buch nach ihr und sagte, sie könne nicht leugnen, daß Hitler wirklich Stil gehabt habe. Dann teilte er ihr mit, daß sie eine Dinnerparty geben würden. Er habe schon bei einem Laden im Village senegalesisches Essen bestellt und all die Leute eingeladen, denen er jemals Geld geschuldet habe. Ob sie Kaffee und ein Dessert machen solle, fragte sie. Ihm war es egal, was sie mache, Hauptsache, nichts Spießiges. Sie begriff, daß etwas Besonderes gefragt war, aber sie hatte nichts im Haus außer ein paar Dosen Wackelpudding mit Erdbeergeschmack. Sie kochte ihn auf und goß ihn in die größte Schüssel, die sie hatte. Dann warf sie statt Fruchtstückchen kleine Münzen hinein. Ob sie damit ihren neuen Wohlstand feierte oder einen ironischen Kommentar abgab, weiß ichnicht. Ich vermute ersteres, da sie nicht der Typ Frau ist, der zu großer Ironie fähig ist. Als sie das Dessert hereinbrachte, klatschten die Gäste ihr Beifall, aber Abe stürzte sich auf sie und mußte von zwei Malern zurückgehalten werden, damit er sie nicht ernstlich verletzte. Er war vermutlich sauer, weil sie sich mit einem eigenen Scherz in den Vordergrund
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