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Was am Ende bleibt

Was am Ende bleibt

Titel: Was am Ende bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Fox
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gesehen, seit dem Anfang unserer Ehe nicht mehr.»
    «Bin ich gewöhnlich vor dir aufgestanden?» fragte sie erstaunt, als habe er ihr irgend etwas Alarmierendes von unmittelbarer Bedeutung mitgeteilt.
    Er schenkte sich Kaffee ein.
    «Bist du beunruhigt? Machst du dir immer noch Sorgen?» fragte er und hatte offensichtlich vergessen, was sie ihn gefragt hatte.
    «Bis ich von ihnen höre, wahrscheinlich schon.»
    «Aber sie werden nicht anrufen, Sophie.»
    «Was für eine gräßliche, gleichgültige Art, Dinge zu regeln! Ich muß ohne ein Wort von ihnen bis zum Mittag warten. Dann, eine Minute später, soll ich wissen, daß alles in Ordnung ist?»
    «Ich kann diesen tiefgekühlten Orangensaft nicht ausstehen –»
    «Welchem Gesetz muß Genüge getan werden?» fragte sie.
    Er rieb sein Gesicht kräftig mit beiden Händen, wie jeden Morgen, bevor er sich rasierte, und warf ihr einen verdutzten Blick zu.
    «Welches Gesetz?»
    «Ein Satz, den du in diesem Buch unterstrichen hast, in dem du gelesen hast. Ich fand es hier auf dem Tisch, zusammen mit deinem roten Bleistift.»
    Er sah sie nachdenklich an, dann stellte er die halbgeöffnete Orangensaftdose ab. «Ihm wird niemals Genüge getan», sagte er endlich. «Das Gesetz ist ein Prozeß,nichts Absolutes. Ich werde ein Leben lang brauchen, um es zu begreifen.»
    «Diese erhängten Kinder waren aber etwas Absolutes», sagte sie bitter. Dann fügte sie mit boshafter Stimme hinzu: «Das ist ein Punkt, wo ich den Unterschied zwischen dir und Charlie ganz genau kenne: Er wird seine Tage nicht damit verbringen, über das Wesen des Gesetzes zu meditieren!» Was, um Gottes willen, hatte sie da gesagt? Sie war so schrecklich wütend gewesen, aber was sie gesagt hatte – nun ja, sie hatte etwas Verheerendes, etwas Vernichtendes, etwas Endgültiges sagen wollen. Statt dessen hatte sie nur irgendeinen Unsinn hervorgebracht.
    «Damit hast du recht», sagte Otto rundheraus. «Charlie wird über nichts nachdenken. Ich habe mir sogar überlegt, ob ich ihm ein Telegramm schicken sollte – an seine neue Adresse. Darin sollte stehen: ‹Glückwünsche zu einem erfolgreichen Leben!›» Er warf ihr einen kühlen, traurigen Blick zu, trottete dann den Flur hinunter, kehrte aber gleich wieder mit der Tageszeitung in der Hand zurück.
    «Glaubst du, ich hätte diese Kinder aufgeknüpft?» fragte er sie.
    «Ich weiß es nicht», sagte sie.
    «Ich weiß nicht einmal, was ich geglaubt hätte. Es wäre vermutlich darauf angekommen, ob ich im Jahre 1790 Katholik oder Protestant gewesen wäre.»
    Sie stöhnte laut auf und knallte dann die Butterplatte hin. Der Haß, den sie ihm gegenüber empfand, war so unerwartet, so mächtig, daß sie sich fühlte, als hätte sie sich über den Tisch auf ihn gestürzt. Er eilte zu ihr und legte ihr die Hand auf den Arm.
    «Sophie …», sagte er leise. «Ich könnte nicht einmal eine Katze aufhängen … Was ist? Was ist los?»
    «Ich ziehe mich an», murmelte sie und wandte ihr Medusenhaupt ab, weil sie sich entstellt vorkam durch den Abscheu, der so rasch von ihr Besitz ergriffen hatte und jetzt ebenso rasch wieder von ihr wich.
    Während des Frühstücks vermieden sie, einander anzusehen. Sie lasen die Zeitung und tauschten die einzelnen Teile kommentarlos aus.
    Als er gehen wollte, fragte Sophie ihn, ob Charlie seiner Meinung nach heute ins Büro kommen würde. Er hoffe nicht, erwiderte er. Charlie habe weiß Gott genug Zeit gehabt, um seine Sachen abzuholen. Niemand würde für irgend jemanden eine Party geben. «So zieht man wirklich einen Schlußstrich», sagte er.
    «Ich wollte, du könntest zu Hause bleiben», sagte sie mutlos.
    «Ich würde … wenn es wirklich notwendig wäre.»
    «Notwendig!»
    Er griff nach seiner Aktentasche, warf ihr einen Blick reiner Verzweiflung zu und schrie: «Sophie! Das ist zuviel!» und schlug die Tür ins Schloß, bevor sie noch irgend etwas hätte zurückschreien können.
    Es war halb neun.
    Sie war entrüstet, daß er gegangen war und sie im kalten Eingang zurückgelassen hatte, wo sie immer noch sprachlos darum bettelte, daß irgendein Vorkommnis ihn zwingen würde zurückzukommen, daß er etwas vergessen hätte und daß er, sobald er die Tür aufgemacht hätte, keinen Grund mehr sehen würde, wieder fortzugehen. Sie wartete sogar noch ein paar Minuten mit angespanntem Oberkörper und lauschte. Er war wie alle anderen, stupide und stur, und behandelte seine eigenen Handlungen so, als leiteten sie sich von

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