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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Ein Rolladen sause jäh herunter, ein Vorhang würde plötzlich zugezogen.
    Für ihn war es genau umgekehrt. Es war der Augenblick, in dem der Rolladen in die Höhe schoß, die verstaubten Vorhänge sich mit einem Mal öffneten und das Licht hereinließen. Es war der Augenblick der tiefsten und größten Nähe. Da gab es kein Zurück mehr.
    Und er hatte immer versucht, das behutsam zu erklären. Wenn er auch brutal zupacken mußte (wie hätten sie sonst stillgehalten?), so war seine Stimme doch sanft gewesen (was an sich schon ein kleines Wunder war), und die Worte waren ihm honigsüß und mühelos von den Lippen geflossen. Selbstverständlich wehrten sie sich. Manche Frauen besaßen eine unglaubliche Kraft.
    Er bedauerte, daß sie nicht durch Gottes Gnade (aber schließlich gab es ja keinen Gott, nicht wirklich) einfach friedlich in seinen Armen sterben konnten. Aber wenn sie so gestorben wären, hätten sie es dann verstanden? Wären ihre Seelen von ihm und der Angst vor der Dunkelheit erfüllt gewesen? Oder hätten sie an jemand anderen, an einen verlorenen Ort, eine große, grüne Wiese im Sonnenschein gedacht? Sie hätten nicht an ihn gedacht.
    Er trieb das Schälmesser so heftig in die Stuhllehne, daß die Schneide vom Schaft brach; und als er sah, daß er dies getan hatte, ohne es zu wollen, daß ihn die Einsamkeit dazu getrieben hatte, begann er zu weinen, wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und legte das zerbrochene Messer vorsichtig auf den Tisch.
    Die Schublade herausziehen, die Messerschneiden befühlen, jene kindlichen Wutanfälle - er wußte die Zeichen zu deuten. Wußte, daß die Einsamkeit und das Bedürfnis nach Nähe ihn wieder überwältigten und er etwas unternehmen mußte.
    Aber sie hatten nicht geschrien.
    Es hatte ihn überrascht, daß sie nicht geschrien hatten. Wahrscheinlich, weil er die meiste Zeit nur ein altes, trauriges Gesicht für sie gewesen war, und dann, nachdem er es erklärt und sie gefesselt und das Messer herausgezogen hatte, war ihnen der Schrei in der Kehle steckengeblieben und erstickte sie. Dennoch hatte er ihnen wegen des Gebettels und Gewimmers und der ewigen Neins (Nein nein nein nein nein nein!), die ihn rasend machten, gewöhnlich die Hand auf den Mund pressen müssen.
    Außer bei Tony. Antoinette. Als er das Messer unter seiner Jacke hervorzog, hatte sie ihn angeschaut und gelacht. War gestorben vor Lachen. (Jetzt neigte er den Kopf, aus Scham über das billige Wortspiel.) Die hatte vielleicht Nerven. Hatte es ihn geärgert, daß sie gelacht hatte? Daß sie seine Gründe nicht ernst nahm? Natürlich nicht; er war ja schließlich kein Kind. Er hatte mit ihr gelacht da draußen im Wald. Es war schön gewesen zu lachen; die Vorstellung, daß dieser lange letzte verständnisvolle Blick vielleicht der Lust entsprang, das war dem Entsetzen, das er später in den Augen von Loreen Butts erblickte, bei weitem vorzuziehen.
    Doch als er sie gegen die Eiche drückte, war ihr Lachen verstummt wie ein altes Auto, das nach einem Stottern schließlich ganz zum Stillstand kommt. Langsam und behutsam hatte er erklärt, daß er sie nicht vergewaltigen wolle; er wolle keinen Sex. Er wolle Nähe.
    Kapiert?
    Tony hatte ihn wild angeblickt - aus wilden Augen über seiner Hand, an der er ihren heißen Atem spürte.
    Und dann nickte sie langsam.
    Willst du das? Willst du, daß ich mit dir schlafe? Willst du Sex ?
    In ihren Augen war auf einmal etwas Verschlagenes, Wissendes. Wieder nickte sie.
    Wenn du das willst, kannst dus natürlich haben. Sollst einen glücklichen Tod haben.
    Während er an sie gepreßt dastand und ihr noch immer die Hand vor den Mund hielt, ließ sie zu seinem Erstaunen die ihren, die gerade noch an ihm gezerrt hatten, sinken, umklammerte mit einer Hand die seine und riß sich die billige Rayonbluse auf; mit der anderen fummelte sie an seinem Hosenschlitz. Er war hart wie Stahl.
    Sie versuchte zum Boden hin zu nicken.
    Willst dus auf der Erde?
    Rasch nickte sie drei-, viermal mit dem Kopf.
    Er hielt ihr das Messer an die Kehle, ließ sie langsam zu Boden sinken, wo sie sich wand und keuchte, und er spreizte die Finger seiner Hand und hörte, wie sie darum bettelte. Er war gebannt; er war fasziniert. Er nahm das Messer von ihrer Kehle weg, hielt den kalten Stahl an ihre Brustwarzen, was sie noch mehr erregte. Und er sah hinab auf seinen harten Schwanz und stieß ihn hinein...
    Blöde Schlampe.
    Blöde Schlampe. Es hätte klappen können. Vielleicht hätte sie das

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