Was am See geschah
diese Mrs. Chalmers -, aber selbstverständlich habe er das Kuchenstück beiseite gestellt. »Sie glauben doch nicht, daß ich so blöd bin und so was esse! Hätte ja vergiftet sein können.«
Doch dann war es Mrs. Chalmers entsetzlich schlecht geworden, und er war losgelaufen, um Hilfe zu holen. Und die Kette der Ereignisse, das unverschämte Glück, das sie von da an hatten - von der unbewachten Tür am Gangende bis hin zu Boys Freiheit das war der Alptraum eines jeden Aufsehers. Ein anderer Wärter war auf dem Lokus gewesen; und wieder ein anderer hatte seinen Posten auf die Bitte zweier weiterer verlassen, die Schwierigkeiten hatten, einen Streit zwischen den Gefangenen zu schlichten. Und den letzten Posten, der zwischen ihm und der Freiheit stand, hatte Boy überwältigen können. Es war ein kleines Gefängnis, und es war nicht mit den maximalen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet.
Für die Leute war Alexis Beauchamp Chalmers die beste kleine Schauspielerin, die sie je erlebt hatten. Aber sie waren sich da nie ganz sicher, denn sie hatte sich wirklich übergeben, und die hübschen kleinen Rosenknospen aus rosa Zuckerguß hatten Salmonellen aufgewiesen. Was zwischen Boy und Alexis vorgefallen war, während sie ihren Kuchen aßen, wußte kein Mensch. Da ihm nicht schlechtgeworden war, nahm man an, daß Alexis die ganze Sache inszeniert hatte.
Es dauerte nur vierundzwanzig Stunden, bis sie Boy auf Dubois’ Gebrauchtwagengelände schnappten, als er gerade versuchte, einen alten Ford kurzzuschließen. Er war dumm genug gewesen, nach Hebrides zurück und direkt in Sheriff Sedgewicks Arme zu laufen, statt wie ein Verrückter in die entgegengesetzte Richtung zu rennen.
Für Boy waren es die falschen vierundzwanzig Stunden. So dachte Sam zumindest; denn obwohl Nancy Alonzo kurz nach Boys Flucht ermordet wurde, unweit der Stelle im Wäldchen, wo auch Loreen Butts getötet worden war, glaubte Sam dennoch nicht, daß Boy der Schuldige war.
Der Bürgermeister dagegen konnte seinen Triumph, beweisen zu können, daß Sam DeGheyn hundertprozentig unrecht hatte, kaum verhehlen.
Sofort nach Boys Festnahme hatte er voller Häme gesagt: »Das hat Ihnen hinsichtlich Boy Chalmers wohl endlich das Maul gestopft, was, Sammy?«
Sam konnte - wenn er an Sims’ Mund voller Zähne dachte, die er ihm mit Vergnügen rausgeschlagen hätte - nur daran denken, daß der Bürgermeister mal zum Zahnarzt müßte. DeGheyn war deswegen so zornig, weil Sims angesichts dieser entsetzlichen Tragödie lachen konnte. Sam hatte Loreen Butts und Tony Perry nicht persönlich gekannt, Nancy Alonzo jedoch kannte er.
Während Sam bloß mit den Händen unter den Achseln dastand, seine Brust umklammerte und versuchte, seinen Zorn zu ersticken, hatte Sims an seinem Schreibtisch weiter irgendwelche Dokumente unterzeichnet, sie mit Schwung signiert. Und geredet.
»Ja, ich nehm an, diesmal wird ihn Billie Anderson zur Höchststrafe verdonnern. Keine Geburtstagspartys mehr für Boy. Vielleicht können Sie jetzt ja Ihre Energien auf was Nützlicheres verwenden, hä? Fangen Sie doch mal damit an, was für Ihr Geld zu tun!«
Sam antwortete nicht. Er stand bloß da, und obwohl ihm der Schweiß über den Rücken rann und seine Achselhöhlen feucht waren, fühlte er sich eiskalt wie eine Statue.
»Hat’s Ihnen die Sprache verschlagen?« fragte Bürgermeister Sims und lächelte breit, wobei er wieder seine Zähne zeigte, die vor dem Zahnfleisch zurückzuweichen schienen, als seien auch sie nicht allzu glücklich, Sims so nahe zu sein.
Sam stand nur da.
Sims’ Lächeln verschwand auf einen Schlag. Seine Provokation hatte keinen Erfolg, und das gefiel ihm nicht. »Aber ich hab gehört, Sie sind mit einem Teil des Beweismaterials nicht einverstanden. Ich hab gehört, Sie meinen, der Beamte am Tatort hat sich getäuscht.« Als Sam nicht antwortete, beugte Sims sich nach vorn. »Na? Erzählen Sie mal! In welcher Hinsicht hat dieser Mann, der mehr Erfahrung und Grips hat, als Sie je haben werden, sich geirrt?« Als Sam noch immer nicht antwortete, fuhr Sims, allerdings immer unsicherer, fort: »Verdammt, sie schreibt mit ihrem eigenen Blut seinen Namen da auf den Boden, und Sie sagen immer noch, daß Boy Chalmers vielleicht unschuldig ist. Allmächtiger Gott, Mannomann! Was für Beweise brauchen Sie denn noch? Der Mann ist kaum einen Tag ausgebrochen, da wird wieder einer Frau die Kehle aufgeschlitzt! Also, was für Beweise -?« Er war zu entnervt, um
Weitere Kostenlose Bücher