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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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die Geschworenen haben es geglaubt. Und vielleicht sind die ja schlauer.«
    Ma Gris beugte sich zum Fernseher vor, schaltete ihn aus und lehnte sich wieder zurück. Sie sagte nichts und sah Sam auch nicht an.
    Sam stand auf. »Dann geh ich jetzt. Danke für’s Bier. Mr. Butts... Mrs. Grizzell.« Er nickte den beiden nacheinander zu, obwohl ihre Blicke nun wieder auf den dunklen Bildschirm geheftet waren.
    Sam ließ die Tür leise hinter sich ins Schloß schnappen und schlenderte über das abfallübersäte Pflaster. In der herabsinkenden Dämmerung sah er das schwache Funkeln eines Glühwürmchens, das die Nacht erwartete.
    Vor beinahe einem Jahr hatte sich die Gittertür geschlossen.
    Er hatte, während er hier draußen im Dunkeln saß und Bunny Carusos Haus beobachtete, fast eine halbe Schachtel Zigarillos geraucht.
    Er hatte nicht erwartet, daß ein Gespräch mit Carl Butts neues Beweismaterial zutage fördern würde, und das tat es auch nicht. Auch wenn Butts und Loreens Mutter sich einverstanden erklärt hätten, zum Charakter des Opfers und des vermeintlichen Mörders auszusagen, so hätte das nicht gereicht, um dem Fall eine neue Wendung zu geben. Eine Mutter wird erwartungsgemäß immer sagen, daß ihr kleines Mädchen nicht zu »der Sorte« gehört; und wenn der Ehemann sich der Homosexualität Boy Chalmers auch genauso sicher war wie Sam, letztlich blieb es eine Vermutung. Der Junge lebte seine Homosexualität nicht aus; Sam hatte eine Menge Zeit darauf verwandt, Freunde und Verwandte indirekt danach zu befragen. Ein paar Männer, die Boy kannten, wunderten sich schon ein bißchen über seine sexuellen Neigungen, aber andererseits war er dann wieder so beliebt, daß niemand so richtig mit seinen Mutmaßungen herausrücken wollte.
    Und was, zum Teufel, überlegte sich Sam, während er sich einen neuen Zigarillo ansteckte, hätte das letztlich bewiesen? Auch wenn der Junge ein wild in der Gegend herumbumsender Schwuler gewesen wäre und alle es gewußt hätten, wer hätte behaupten können, daß ein Homosexueller in einem perversen Anfall von Brutalität nicht auch imstande war, eine Frau zu vergewaltigen? Sam ging nicht davon aus, nicht bei Boy Chalmers, aber es ließ sich einfach nicht beweisen.
    So hatte Boy Chalmers inzwischen ein Jahr seiner lebenslänglichen Strafe abgesessen.
    Nach den Morden an Tony Perry und Loreen Butts hatte Sam sich wieder an den Hayden-Fall erinnert - nicht, daß er ihn je wirklich vergessen hätte - und marschierte ins Büro des Bürgermeisters: Er finde, man solle den Fall Eunice Hayden noch einmal aufrollen, er, Sam, müsse Zugang zu den Akten erhalten, und Sheriff Sedgewick soll auf jede nur mögliche Weise mit ihm zusammenarbeiten.
    Das war noch vor dem Mord an Nancy Alonzo, und Bürgermeister Sims befand sich im vierten Jahr seiner kraftraubenden Wiederwahl-Kampagne. Er stand permanent im Wahlkampf, wohl weil er erkannte, daß ihm sein Job keineswegs so sicher war und er hinter jedem Baum einen Konkurrenten vermutete. Leider gab es nicht allzu viele, die dieses Amt wollten - hier ein junger Anwalt, dort ein Vorsitzender der Schulbehörde, doch keiner schien die Sache besonders ernst zu nehmen. Man gewöhnt sich daran, dachte Sam, immer denselben Mann auf demselben Hocker im Rainbow sitzen zu sehen und ihn über dieselben städtischen Angelegenheiten reden zu hören. Daß Sam mit einer politisch so brisanten Sache ankam, wie es das Aufrollen eines alten Mordfalls und seine Verknüpfung mit einem neuen nun einmal war, veranlaßte den Bürgermeister, den Vorhang aus Zigarrenrauch, der ihn umgab, fortzuwedeln (er glaubte ernsthaft, daß seine Zigarren und seine Seersucker-Anzüge die Leute an Spencer Tracy erinnerten), und sah Sam an, als sei er verrückt geworden.
    »Sie wollen mir erzählen, daß der Sexualmord drüben in Elton County vor ein paar Jahren und dieser Eunice-Hayden-Fall - Sie wollen mir erzählen, daß Sie deswegen glauben, es gibt hier bei uns so eine Art Jack the Ripper?«
    »Nein.«
    »Aber Sie glauben doch offensichtlich, daß ein und dasselbe Arschloch all diese Frauen umgebracht hat?«
    »Ja.«
    »Nur, weil’s in vier Jahren drei Morde gegeben hat - in vier Jahren, vergessen Sie das nicht -«
    Sam unterbrach ihn. »Alle diese Morde sind auf die gleiche Weise begangen worden. Und ich würde sagen, wenn so was in zwei winzigen Orten wie La Porte und Hebrides passiert, sollten unsere Frauen lieber ihre Türen verriegeln.«
    Sims lehnte sich zurück und

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