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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Bubby starrte mit einem verwirrten Stirnrunzeln auf die Windschutzscheibe.
    »Der Prinz von Liechtenstein.« Sam nahm eine Hand vom Sims, um die Mütze mit dem schwarzen Schild zu verrücken, sie weiter zur Spiegelglasbrille herabzuziehen. Immer noch kaute er seinen Kaugummi, während er beobachtete, wie Dubois versuchte, sich eine Vorstellung von »Hubert« zu machen. Stumm formte Bubby den Namen mit den Lippen.
    »Also, Bunny muß doch Hubert gerufen haben. Wie könnte sie denn sonst mit deinen Lieben in Verbindung treten?« Meiner Frau zum Beispiel, hätte Sam am liebsten hinzugefügt. Aber sein Verstand durchblätterte die Konsequenzen eines solchen Satzes wie Rolodex-Karten.
    »Oh, ja - Hubert!« sagte Bubby mit listiger Miene. »Tja, Hubert hatte heute abend keine besondere Lust...«
    Sam sah den Schweiß, der sich wie Speichel in einem kleinen Rinnsal um Bubbys Haaransatz herum nach unten schlängelte. War Dubois wirklich so dumm anzunehmen, daß Sam nicht wußte, was in Bunny Carusos spiegelverkleideten Zimmer vor sich ging? »Tja, ich hab halt diesen Krach gehört und mir Sorgen um Bunny gemacht.« Sams Gesicht näherte sich ein wenig; Bubby lehnte sich instinktiv zurück. »Ich bin schon eine ganze Weile hier draußen.« Wegen der Brille konnte er Sams Augen nicht sehen, und auch die Stimme des Sheriffs verriet keinerlei Gefühl.
    Bubby drehte mit einem Ruck den Kopf herum. »Wie lange?« Die Vorstellung, daß Sam die ganze Zeit über das Haus beobachtet hatte, war ja das Schlimmste überhaupt.
    »Oh, zwanzig Minuten, vielleicht auch eine halbe Stunde. Wie gesagt: Ich hab diesen Krach gehört...« Sam gab durch seinen Tonfall zu verstehen, daß er eine Antwort erwartete.
    »Ja... ja.« Bubby hatte ein weißes, zum Quadrat gefaltetes Taschentuch aus seiner Hosentasche gezogen und tupfte sich damit wie mit einer Puderquaste das Gesicht ab. »Das war eine Lampe.«
    »Hat mehr nach einem umstürzenden Wandschrank geklungen. Oder nach einem Bett, das zusammenkracht.« Schwitz nur, Mann! »Wahrscheinlich hat Hubert wieder was angestellt.« Bunny Caruso sollte ihre Kunden über die Details in Kenntnis setzen, dachte sich Sam. Aber wahrscheinlich konnte nur ein Bulle sie zu der farbigen Schilderung des Prinzen von Liechtenstein inspirieren. Warum sollte sie sich bei ihren Kunden diese Mühe machen? Würden sie Hubert zu schätzen wissen? »Séancen können ziemlich stressig sein, hat man mir erzählt.«
    Bubby versuchte, sich zu entspannen - er steckte sein Taschentuch ein und zündete sich eine Zigarette an -, aber gleichzeitig fragte er sich offensichtlich, ob es jetzt angemessen war, sich zu entspannen. Die Hand, die das Feuerzeug hielt, zitterte; die spiegelblanken Augen glitzerten. Er ließ es darauf ankommen und versuchte zu scherzen: »Ist ja schlimmer als Hände hoch und Beine breit.« Sein künstliches Lachen klang eher wie ein Schnauben, so, als ziehe er Schleim hoch. »Hast du’s auch mal probiert?«
    Beim leisesten Zwinkern hätte Sam ihn aus dem Auto gezerrt, und sie hätten ein bißchen Hände hoch und Beine breit am Betonpfeiler des Hauses veranstaltet. Nein. Sam überlegte einen Moment. »Ich hab wohl keine Sehnsucht nach der Vergangenheit.« Wo hatte er das - oder so was Ähnliches - schon mal gehört? Maud hatte es gesagt oder irgendwo gelesen. Es stammte aus einem ihrer Bücher. Für einen winzigen Augenblick waren Dubois, Bunny und das Cottage, der Gestank von Gefängniszellen, von nach Bier riechenden Wohnwagen und den Überbleibseln zerbrochener Ehen aus seinen Gedanken verbannt, und an ihre Stelle trat das Ende des Piers, das Fest auf der anderen Seeseite, das schwarze, unbewegte Wasser. Blitzartig durchbrach dieser Gedanke den Zorn, die Erniedrigung, den Wunsch nach Rache. Er gab seine Pose auf, nahm die Hände vom Fenster, trat vom Wagen zurück und steckte sie in die Tasche.
    Die Pose vom Lieutenant, von Mr. Obergefährlich, vom Ledermann. Warum war er wütend? Auf wen? War das wirklich er: einer, der irgendwo draußen auf der staubigen Straße vor dem schmuddligen Saloon stand, ein Sheriff, der, die Hand am Abzug seiner Knarre, die Ehre irgendeiner Lady verteidigen wollte? Wenn er seine Frau nicht mehr liebte und seine Frau mit einem anderen bumste und dieser andere das gleiche mit wieder einer anderen tat, war das nicht einfach nur ironisch und trivial? Zornig machte ihn diese Ehe, die vor dem Mikrowellenherd statt im Bett ausgelebt wurde; und daß seine Frau albern und ängstlich war;

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