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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Ertrinken?« Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Er kannte sie.
    »Meinem eigenen«, sagte sie schlicht und griff mit schlaffer Hand nach ihrem Glas. »Ich ertrinke sehr schön im goldflüssigen Meer unter dem Zimmer, von dem ich dir erzählt habe. Na ja, gute Nacht.«
    Das goldflüssige Meer, Ogottogott! »Wie ertrinkst du denn in dieser Vision?«
    Theatralisch wandte sie ihm ihr Profil zu. »Ich dachte, du mußt gehen.«
    Sam starrte auf den Mond und schüttelte den Kopf. »Ich kann in ungefähr einer halben Stunde zurückkommen. Bloß um mich zu vergewissern, daß du nicht im goldflüssigen See ersoffen bist. Also gib mir eine kurze Zusammenfassung.«
    Maud räusperte sich umständlich wie eine Diva und sagte, noch immer geradeaus blickend: »Ich weiß nicht wie, aber auf einmal bin ich über dem Meer. Es ist wie ein Netz aus Gold. Die Sonne geht unter. Ich habe dieses lange, lange mattgoldene Kleid an und falle einfach - nein, ich falle nicht -, ich schwebe hinab und liege dann auf dem Meer. Ich verschmelze mit ihm... mein Kleid, meine Haut - das macht das reflektierte Sonnenlicht -, und es ist, als würde sich das Meer über mir schließen. Aber man sieht, daß sich etwas verändert hat. Ich passe dazu. Zum Meer, mein ich.«
    Sie schwieg, und er wartete. Dann drehte sie sich um und sagte: »Ich bin der perfekte Puzzlestein.«
    Einige Augenblicke lang blieb er ein paar Meter hinter ihr stirnrunzelnd und fröstelnd stehen. »Schalt die verdammte Lampe aus, ich bin bald wieder zurück.«

5
    E r stand direkt neben dem Waldpfad, den sie auf dem Heimweg gehen mußte, und atmete die feuchte Nachtluft ein.
    Was hatte sie denn in seine wartenden Arme getrieben, wenn nicht der Wunsch seiner lieben toten Engelmutter, die Schmerzen, die sie ihm angetan hatte, wiedergutzumachen? Ihren letzten Brief hatte sie jenem stoppelbärtigen alten Mann hinterlassen, der nur am Küchentisch gesessen und das Geld versoffen hatte.
    Der Schwule war aus dem Gefängnis ausgebrochen! Er mußte immer noch kichern. Der Schwule entkam und verschaffte ihm eine tolle Gelegenheit, es in dieser speziellen Nacht zu tun, wo er doch noch gezögert hatte, weil er es für zu früh hielt - zu früh nach der Butts.
    Nicht, weil er eine Gefahr für sich gesehen hätte. Nein, er beobachtete sie nur gerne.
    Er beobachtete sie gerne, wenn sie die Hauptstraße hinunterging, mit gesenktem Kopf dahinruckelte, als würde sie gezogen, und ihre Füße kaum das Pflaster berührten. Sie war wie ein Blatt, ein blaßbraunes, dünnes, geripptes Blatt, das von jedem Windstoß umhergeweht wurde.
    Er seufzte, als er sich jetzt daran erinnerte.
    Und während er sich erinnerte, fand er den kalten Griff des Messers, das von seiner Hüfte emporragte. Er konnte fast das Rascheln im Gehölz hören wie in jener Nacht im Juni, als sie den Pfad entlanggegangen war. Auf ihn zugekommen war.
    Er lehnte sich an den Baum, lehnte den Kopf zurück, bis er durch die Zweige nach oben schauen konnte, sein Hals ganz angespannt, so angespannt wie ihrer. Zart strich er mit den Fingern auf und ab, auf und ab, und spürte die Spannung weiter unten, spürte, wie seine Jeans allmählich zu eng wurden.
    »Nancy.«
    Er flüsterte es auch jetzt und konnte sie sich wieder genau vorstellen.
    Sie erschrak da draußen im schattenlosen Dunkel, einer Dunkelheit so vollkommen, daß nur das intensive Weiß der Eschen im kalten Mondlicht sie durchdrang.
    Und seine Augen. Seine Augen hatten diesen Wald an manchen Stellen verbrannt, die harten, trockenen Blätter unter ihren ringenden Körpern in Asche verwandelt.
    »Hallo, Nancy.«
    Er hörte, wie sie die Luft einsog, sah, wie sie mit der Dunkelheit rang und zu erkennen versuchte, woher die Stimme kam. Er kicherte.
    Sie hatte versucht zu schreien, aber es kam nur ein Gurgeln heraus, das er mit einem simplen Handgriff abschnitt, indem er eine Hand um ihren Hals legte und sie zu sich herzerrte. Ehe er das Messer herauszog, gab er ihr dann zu verstehen, daß er der Meister und sie nichts als ein jämmerliches Geschöpf des Waldes - ein Eichhörnchen oder Kaninchen - war.
    Er hielt ihr Kinn umklammert, drückte ihren Mund an den seinen, spürte seine Zunge wie eine zuckende Schlange, die sich zu ihren Zähnen wand, als wolle er sie mit einem Biß töten.
    Und dann lag sie auf dem Boden, ihre Hände in einer Haltung, als fessle er sie mit der seinen, und wie im Traum erschien das Messer in seiner anderen, schnitt durch ihre Kleider, ihr Fleisch, wie durch

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