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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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erzählt. Er sagt, ich hätte es vergessen. Aber ich hab’s nicht vergessen. Er hat vergessen, es mir zu erzählen. Du weißt ja, wie er ist.« Immer wieder zupfte sie an der Kordel.
    »Nein, weiß ich nicht - kannst du nicht endlich mal die Lampe in Ruhe lassen? Man könnte fast meinen, du hättest in all den Jahren nur Gasbeleuchtung gehabt. Du solltest hier unten keine Lampe rumstehen haben, Maud, verdammt noch mal!«
    Sie sah ihn gelassen an und meinte kühl: »Dann sag mir, wie sonst ich meine Bücher lesen soll?« Sie hob den Gedichtband.
    »Lies im Haus. Es wundert mich, daß Chad dir geholfen hat, das alles zu installieren.« Sam wandte den Kopf und sah nach hinten. »Bis zurück zum Haus mußt du ja einen Schwanz von einem Dutzend Verlängerungskabeln liegen haben. Hat man so was Verrücktes schon mal gesehen?«
    »Keine Ahnung. Hast du?« Maud vertiefte sich in ihr Gedicht, und ihre Lippen formten stumm und sorgfältig die Worte.
    Sam knirschte mit den Zähnen. »Du könntest verunglücken. Du könntest in den See kippen und die Lampe direkt hinterher.«
    Maud blickte nicht von ihrem Buch auf, als sie entgegnete: »Ich hab oft dran gedacht, mit der Lampe baden zu gehen, das stimmt.« Rasch griff sie nach oben und zerrte an der Kordel. Aus, an.
    Er sollte sie Bürgermeister Sims mal auf den Hals hetzen. Nein, Maud war nur bei ihm so. Und bei Chad. Er trank sein Bier und schaute zu ihr hinüber, wie sie dasaß und tat, als läse sie dieses Gedicht, wobei sie dramatisch die Worte mit den Lippen formte und jetzt ein wenig mit den Händen zuckte, damit er auch ja bemerkte, daß sie ihn ignorierte. Sie blätterte um. Es raschelte auffällig.
    Sam wußte, er war deswegen auf die Lampe zu sprechen gekommen und deswegen so reizbar, weil es ihn furchtbar nervös machte, daß Maud - wenn er nicht bei ihr war - die halbe Nacht völlig schutzlos hier draußen saß. »Erzähl mir mehr von Boy Chalmers. Was gibt’s sonst noch?«
    »Chad hat weiter nichts gesagt.« Sie schlug ihr Buch zu, ein Requisit, das ihr im Augenblick nicht unmittelbar von Nutzen war. »Er hat bloß gesagt, er kann nicht verstehen, wie Boy diese Morde begangen haben soll. Boy sei so verdammt nett gewesen. Das genau waren seine Worte.« Sie sah Sam bedeutungsvoll an. »Ich finde es schrecklich, wenn Leute in jedem Satz ein ›verdammt‹ unterbringen. Dieses Wort sollte sparsam verwendet werden, wenn überhaupt. Manche Leute müssen immer auf dieses -«
    Oh, halt doch den Mund, dachte Sam, der sich nun anhören mußte, wie sie abschweifte und sich über die Verarmung der Sprache ausließ. »Hat Chad sonst noch irgendwas gesagt?«
    »Nein. Aber Boy muß wirklich Eindruck auf ihn gemacht haben, immerhin hält er ihn für unschuldig, wo’s ihm doch anders lieber wäre.«
    »Wie meinst du das?«
    »Chad würde ihn lieber für den Schuldigen halten.« Maud wandte ihm den Kopf zu. »Das würde bedeuten, daß sie den Schuldigen haben. Und das hieße dann, ich bin außer Gefahr.« Sie faltete die Hände im Schoß und blickte mit dem selbstzufriedensten Ausdruck, den Sam sich nur vorstellen konnte, auf den See hinaus. Daß Chad sich Sorgen um sie machte, befriedigte Maud ungemein.
    Aber sie hatte recht. Chad wäre es bestimmt lieber, wenn er den Mörder hinter Schloß und Riegel wüßte.
    »Danke«, sagte er. »Danke, daß du’s mir erzählt hast.«
    »Keine Uuursache«, sagte sie und rollte wieder auf einer Seite das Haar hoch.
    Leise lächelnd lehnte er den Kopf zurück und betrachtete den Nachthimmel. »Wenn wir nur alle in Mediterranea leben könnten.« Er merkte, wie sie still wurde, wahrscheinlich freute sie sich, weil er sich an ihr Traumzimmer erinnert hatte.
    »Die Carabinieri brauchen wahrscheinlich keinen neuen Boß.« Sie zerrte wieder die Popov-Flasche aus dem Eis und hielt sie hoch, um den Wodkastand zu kontrollieren.
    »Wenn du dir was wünschen könntest, irgend etwas, ich glaub, du würdest dieses Zimmer nehmen.«
    Mit genervter Miene stieß sie die Flasche wieder in den Eimer und stellte ihr Glas auf das Faß.
    Aber er konnte beinahe ihre Gedanken lesen: Für sie war alles ein Spiel, das Was-würdest-du-dir-wünschen-wenn-du-alles-haben-könntest-Spiel. Und er wußte, daß sie am Ende nicht widerstehen konnte.
    »Tja, was würdest du dir wünschen?« Ihre Stimme klang so gepreßt wie die des Sängers da drüben, dem alles, was ihm zustieß, nur Gewimmer entlockte.
    »Kommt drauf an.«
    Das Schaukeln hörte auf. »Was soll das heißen,

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