Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
jedoch von menschlicher Gestalt. Der Name ihres Vaters lautete K’mackintosh, und ihr Name K’mell. Sie überlistete mit ihren Tricks alle legitimen Obersten der Instrumentalität.
Die ganze Geschichte ereignete sich in Erdhafen, dem größten aller Gebäude, der kleinsten aller Städte, fünfundzwanzig Kilometer hoch in den Himmel ragend, an der westlichen Küste der Kleinen See der Erde.
Jestocosts Büro lag vor der vierten Ebene.
I
Jestocost liebte das morgendliche Sonnenlicht, im Gegensatz zu den meisten anderen Lords der Instrumentalität, so dass er niemals Schwierigkeiten hatte, das Büro und die Apartments zu behalten, die er sich ausgesucht hatte. Sein Hauptbüro war neunzig Meter lang, zwanzig Meter hoch, zwanzig Meter breit. Dahinter erstreckte sich die fast tausend Hektar große »vierte Ebene«. Sie war spiralförmig angelegt, wie eine riesige Schnecke. Jestocosts Apartment, so groß es auch scheinen mochte, war lediglich eines der Taubenlöcher im Schalldämpfer am Rande von Erdhafen. Erdhafen ähnelte einem gewaltigen Weinglas und reichte vom tiefsten Magma bis in die höchsten Atmosphäreschichten.
Die Stadt war während der Blütezeit der irdischen Technologie erbaut worden. Obwohl die Menschen schon seit Beginn der fortschreitenden Geschichte über Nuklearraketen verfügten, waren für den Transport der interplanetarischen ionen- oder nukleargetriebenen Schiffe oder für die Montage der photonischen Segelschiffe chemisch angetriebene Raketen verwendet worden. Der Schwierigkeiten überdrüssig, die es bedeutete, jedes Stück einzeln in den Weltraum zu schaffen, hatte man eine Rakete mit einer Tragkraft von einer Milliarde Tonnen entwickelt, nur um festzustellen, dass sie jeden Landstrich ruinierte, auf dem sie landete. Die Daimoni – Menschen irdischer Abstammung, die von irgendwo hinter den Sternen zurückgekehrt waren – hatten der Menschheit geholfen, Erdhafen aus wasserfestem, rostfreiem, zeitfestem und extrem belastbarem Material zu erbauen. Sie waren, nachdem ihre Arbeit beendet war, wieder verschwunden und niemals zurückgekehrt.
Jestocost hatte sich oft sorgenvoll in seinem Apartment umgeblickt und sich die eher theoretische Frage gestellt, was wohl wäre, wenn weiß glühendes Gas, zu einem Flüstern gedämpft, in sein Zimmer und die dreiundsechzig anderen, identischen Zimmer dringen würde. Jetzt besaß er eine verschließbare Rückwand aus massivem Holz, und die Ebene selbst war ein großer Hohlraum, in dem einige wilde Tiere lebten. Die Zimmer waren nützlich, aber der übrige Raum überflüssig. Die Planoformschiffe flüsterten zwar immer noch von den Sternen herab und landeten aus Gründen gesetzlicher Vorschriften in Erdhafen, doch sie machten keinen Lärm und gewiss strömten sie auch keine heißen Gase aus.
Jestocost blickte zu den weit über ihm liegenden Wolken hoch und sprach mit sich selbst. »Schöner Tag. Gute Luft. Keine Schwierigkeiten. Sollte lieber etwas essen.«
Er sprach oft auf diese Weise mit sich selbst. Er war Individualist, ja, galt fast schon als Exzentriker. Als einer der wichtigsten Räte der Menschheit hatte er zwar Probleme, aber sie waren nicht persönlicher Natur. Über seinem Bett hing ein Rembrandt, der einzige Rembrandt, den es noch auf der Welt gab, ebenso wie er der einzige Mensch war, der einen Rembrandt zu würdigen wusste. An der Rückwand befanden sich die Gobelins eines längst vergangenen Reiches, und jeden Morgen veranstaltete die Sonne eine große Oper für ihn, dämpfte und erleuchtete und veränderte die Farben so dramatisch, dass er sich fast vorstellen konnte, die alten Zeiten mit ihren Kriegen, ihren Morden und ihren Tragödien seien wieder auf der Erde eingekehrt. Er besaß ein Exemplar Shakespeare, ein Exemplar Colegrove und zwei Seiten aus dem Prediger Salomon , die er in einer verschlossenen Kiste neben seinem Bett aufbewahrte. Nur zweiundvierzig Menschen im ganzen Universum konnten Altenglisch lesen, und er war einer von ihnen. Er trank Wein, den er durch seine eigenen Roboter in seinem eigenen Weinberg an der Sonnenuntergangsküste hatte keltern lassen. Kurz gesagt, er war ein Mann, der es verstanden hatte, sein privates Leben komfortabel und aufs Beste für sich einzurichten, und der deshalb im Berufsleben seine Talente rückhaltlos einsetzen konnte.
Als er an diesem Morgen erwachte, da wusste er noch nicht, dass ein wunderschönes Mädchen dabei war, sich hoffnungslos in ihn zu verlieben; dass er, nach mehr als
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