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Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)

Titel: Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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ihr zu antworten. Wir wandten uns zum Gehen.
    Doch dann fiel mir ein, dass ich die VORAUSSAGUNGEN noch nicht ausprobiert hatte.
    »Nur einen Augenblick noch, Liebling. Ich nehme schnell ein Stück von der Bandage.«
    Sie wartete geduldig. Ich riss ein Stück von der Größe meiner Hand ab und hob dann einen Teil eines ehemaligen Menschen vom Boden auf. Es schien der Vorderteil eines Armes gewesen zu sein. Ich drehte mich um und schob das Tuch in den Schlitz, als mit einem Mal ein riesiger Vogel auf der Tür hockte.
    Ich scheuchte den Vogel fort, doch er krächzte und schien mich mit seinem Gekreische und seinem scharfen Schnabel zu bedrohen. Ich konnte ihn nicht vertreiben.
    Da griff ich zu Telepathie. Ich bin ein Wahrer Mensch. Verschwinde!
    Der trübe Verstand des Vogels warf mir nur ein Nein-nein-nein-nein-nein! zurück.
    Also traf ich ihn so hart mit meiner Faust, dass er zu Boden flatterte. Er richtete sich inmitten der weißen Trümmer auf dem Boden auf, öffnete dann seine Schwingen und ließ sich vom Wind davontragen.
    Ich schob den Tuchfetzen in den Schlitz, zählte stumm bis zwanzig und zog das Tuch wieder heraus.
    Die Worte waren klar zu lesen, aber sie bedeuteten nichts: Du wirst Virginia noch einundzwanzig Minuten lang lieben.
    Ihre Stimme, die noch immer froh schien über die Weissagung und auch etwas von dem Schmerz verriet, der in ihrer beschriebenen Hand pochte, drang wie von sehr weit her an mein Ohr. »Was sagt er, Liebling?«
    Wie aus Versehen ließ ich mir den Tuchfetzen vom Wind entreißen. Er flatterte wie ein Vogel davon.
    Virginia sah ihm nach. »Oh«, rief sie enttäuscht. »Es ist weg! Was stand darauf?«
    »Dasselbe wie bei dir.«
    »Aber wie lauteten die Worte, Paul? Wie lauteten sie genau?«
    Aus Liebe und Kummer und vielleicht auch ein klein wenig »Furcht« log ich sie an und flüsterte sanft: »Dort stand: ›Paul wird Virginia auf ewig lieben.‹«
    Sie lächelte mich strahlend an. Ihr kräftiger, fülliger Körper stand glücklich und unverrückbar im Wind. Und wieder war sie ganz die pummelige, hübsche Menerima, die ich schon gekannt hatte, als wir noch Kinder waren und zusammen in einem Block lebten. Und sie war noch mehr. Sie war meine neu gewonnene Liebe in unserer neu gewonnenen Welt. Sie war meine Mademoiselle aus Martinique. Die Mitteilung war Unsinn; wir hatten an der zerstörten Tür ja schon gesehen, dass die Maschine kaputt war.
    »Es gibt hier nichts zu essen oder zu trinken«, erinnerte ich sie. In Wirklichkeit befand sich neben dem Geländer eine Pfütze, aber es lagen menschliche Bauelemente darin, und ich hatte nicht den Mut, davon zu trinken.
    Virginia war so glücklich, dass sie trotz ihrer verletzten Hand, ihres Durstes und Hungers munter und fröhlich vor sich hin ging.
    Einundzwanzig Minuten, dachte ich. An die sechs Stunden sind vergangen. Wenn wir hier bleiben, sehen wir uns ungeahnten Gefahren gegenüber.
    Rasch schritten wir aus, eilten den Alpha Ralpha Boulevard hinunter. Wir waren dem Abba-Dingo begegnet und waren immer noch »am Leben«. Ich hielt mich auf jeden Fall nicht für »tot«, auch wenn die Worte so lange Zeit bedeutungslos gewesen waren, dass es schwerfiel, sie zu denken.
    Die Rampe führte so steil bergab, dass wir wie Pferde hinuntertrabten. Der Wind blies uns mit aller Kraft ins Gesicht. Das war es auch: Wind – doch das Wort vent schlug ich erst nach, als alles vorbei war.
    Den ganzen Turm haben wir nie gesehen – nur die Wand, an der uns die alte Düsenstraße abgeladen hatte. Der Rest des Turms blieb in den Wolken verborgen, die wie Lumpen auseinandergerissen wurden, wenn sie auf das massive Material trafen.
    Der Himmel war an einer Seite rot und an der anderen schmutzig gelb. Große Wassertropfen begannen auf uns niederzuprasseln.
    »Die Wettermaschinen sind kaputt«, brüllte ich Virginia zu.
    Sie versuchte etwas zurückzurufen, doch der Wind riss ihr die Worte vom Mund. Ich wiederholte, was ich über die Wettermaschinen gesagt hatte. Sie nickte glücklich und zufrieden, obwohl der Wind ihr Haar zerzauste und die Wassertropfen ihr flammengoldenes Gewand durchnässten. Es spielte keine Rolle. Sie klammerte sich an meinen Arm. Mit glücklichem Gesicht lächelte sie mich an, während wir hinunterstapften und uns dabei gegen die sich steil neigende Rampe stemmten. Ihre braunen Augen waren voll Vertrauen und Leben. Sie bemerkte, dass ich sie ansah, und sie küsste meinen Oberarm, ohne aus dem Tritt zu geraten. Sie war auf ewig mein

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