Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
in ihm auf. »S’ruth! S’ruth! Kannst du es mir sagen?«
»Angenommen, ich würde es dir sagen«, erklärte sie, »was würde dann geschehen?«
Gosigos Gesicht wurde traurig. »Ich bekäme Krämpfe und würde alles vergessen, was ich zu dir gesagt habe. Nun, jedenfalls Lebewohl. Ich werde dem Sturm trotzen. Wenn du jemals wieder Casher O’Neill siehst« – er blickte durch Casher O’Neill hindurch – »dann sag ihm, dass ich ihn mag, aber dass wir uns nie wiedersehen werden.«
»Ich werde es ihm ausrichten«, versprach das Mädchen freundlich. Sie sah zu, wie der schwere Mann behände in das Fahrzeug kletterte. Die Luke schloss sich lautlos. Die Räder drehten sich, und kurz darauf war der Bodengleiter hinter den Zwergpalmen die Straße hinunter verschwunden.
Während sie mit Gosigo gesprochen hatte, mit ihrer warmen, klaren, mädchenhaften Stimme, hatte Casher sie beobachtet. Er sah die schmalen Konturen ihrer Schultern unter der dünnen blauen Bluse, die sie trug. Unter dem Rock schimmerte ihre Unterwäsche hervor, so fein war das Material. Ihre Hüften hatten sich noch nicht gerundet. Als er sie von der Seite betrachtete, konnte er sehen, dass ihre Wangen weich, ihr Haar frisch frisiert war und dass ihre kleinen Brüste gerade zu knospen begannen. Wer war dieses Kind, das sich wie eine Herrscherin benahm?
Sie drehte sich um und schenkte ihm ein warmes, entschuldigendes Lächeln. »Gosigo und ich erzählen uns immer diese Geschichte. Dann kehrt er zurück, und Meiklejohn glaubt ihm nicht und verbringt unglückliche Monate damit, meine Ermordung wieder von Neuem zu planen. Ich glaube, da ich nur ein Tier bin, sollte ich es nicht ›Mord‹ nennen, wenn jemand versucht, mich zu töten, aber ich leiste natürlich Widerstand. Ich mache mir über mich keine Sorgen, aber ich habe Befehle, bindende Befehle, meinen Meister und sein Haus vor Schaden zu bewahren.«
»Wie alt bist du?«, fragte Casher. Und fügte dann hinzu: »Falls du mir die Wahrheit sagen darfst.«
»Ich kann nichts als die Wahrheit sagen. Ich bin konditioniert. Ich bin neunhundertsechs Erdenjahre alt.«
»Neunhundert …«, rief er. »Aber du siehst wie ein Kind aus …«
»Ich bin ein Kind«, erklärte das Mädchen, »und doch kein Kind. Ich bin eine irdische Schildkröte, der man zur Bequemlichkeit der Menschen humanoide Gestalt verliehen hat. Meine Lebenserwartung wurde dreihundertfach erhöht, als man mich modifizierte. Man sagte mir, dass meine normale Lebensspanne dreihundert Jahre betragen hat. Nun beträgt sie neunzigtausend Jahre, und manchmal fürchte ich mich davor. Sie werden nach einem erfüllten Leben in einem hohen Alter sterben, Casher, während ich noch immer die Vorhänge in diesem Hause zur Seite ziehe, um das Sonnenlicht hereinzulassen. Aber wir sollten nicht an der Tür stehen bleiben und reden. Kommen Sie herein und nehmen Sie ein paar Erfrischungen zu sich. Sie wissen, dass Sie nirgendwo sonst hingehen können.«
Casher folgte ihr ins Haus, aber er kleidete seine Befürchtungen in eine Frage: »Du meinst, ich bin dein Gefangener?«
»Nicht mein Gefangener, Casher. Ihr eigener. Wie könnten Sie die Strecke alleine überwinden, die Sie in dem Bodengleiter zurückgelegt haben? Sie können bis zur Grenze meines Besitzes gelangen, aber dann werden Sie die Stürme ergreifen und Sie mit sich reißen in einen Tod, für den es keinen einzigen Zeugen geben wird.«
Sie betraten einen großen, alten Raum, dem Holzmöbel in hellen, frischen Farben eine freundliche Atmosphäre verliehen.
Casher war unbehaglich zumute. Er hatte sein Messer wieder in den Stiefel zurückgesteckt, als sie die Empfangshalle verlassen hatten. Nun, da er zusammen mit seinem Opfer auf einer Veranda saß, war ihm sehr seltsam zumute.
S’ruth schien sich keine Gedanken zu machen. Sie läutete eine Messingglocke, die auf einem altmodischen runden Tisch stand. Weibliche Schritte waren aus der Halle zu hören. Eine Dienerin betrat den Raum; sie trug ein schwarzes Kleid mit einer weißen Schürze. Casher hatte Dienstboten wie sie in den alten Dramawürfeln gesehen, aber er hätte nie im Leben damit gerechnet, einem von ihnen einmal leibhaftig zu begegnen.
»Es wird Zeit für den Fünfuhrtee«, erklärte S’ruth. »Was bevorzugen Sie, Tee oder Kaffee, Casher? Wir haben auch Bier und Wein. Sogar zwei Flaschen Whisky, die von der Erde eingeführt wurden.«
»Kaffee würde mir zusagen.«
»Und Sie wissen ja, was ich möchte, Eunice«, sagte S’ruth
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