Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
zu der Dienerin.
»Ja, Ma’am«, erwiderte das Mädchen, nickte und verschwand.
Casher beugte sich vor zu S’ruth. »Diese Dienerin – ist sie ein menschliches Wesen?«
»Aber ja.«
»Warum arbeitet sie dann für einen Untermenschen wie dich? Ich meine … ich möchte nicht unfreundlich sein … aber ich meine … das widerspricht allen Gesetzen.«
»Nicht hier, nicht auf Henriada.«
»Und warum nicht?«
»Weil ich das Gesetz auf Henriada bin.«
»Aber die Regierung …«
»Ist fort.«
»Die Instrumentalität?«
S’ruth runzelte die Stirn; sie wirkte wie ein weises, rätselhaftes Kind. »Vielleicht kennen Sie sich in diesen Dingen besser aus als ich. Sie hat hier einen Administrator eingesetzt, möglicherweise, weil sie sonst keinen Ort für ihn gefunden hat, und weil er eine Aufgabe braucht, um am Leben zu bleiben. Trotzdem hat sie ihm nicht genug wirkliche Macht gegeben, um meinen Meister gefangen zu setzen oder mich zu töten. Die Instrumenalität ignoriert mich. Mir scheint, wenn ich sie nicht herausfordere, lässt sie mich in Frieden.«
»Aber ihre Gesetze …«
»Sie setzt sie hier nicht durch, weder hier auf Beauregard noch in der Stadt Ambiloxi. Sie hat es mir überlassen, diesen Ort zu erhalten, und ich tue mein Bestes.«
»Dann diese Dienerin. Hat die Instrumentalität sie dir vermietet?«
»O nein! Sie kam vor zwanzig Jahren, um mich zu töten, aber sie war eine Vergessene, und sie kannte keinen anderen Ort, wohin sie gehen konnte, deshalb lernte ich sie als Hausmädchen an. Sie hat mit meinem Meister einen Vertrag geschlossen, und ihr Lohn wird einmal im Monat an den Satelliten über dem Planeten überwiesen. Sie kann jederzeit fortgehen. Aber ich glaube nicht, dass sie das möchte.«
Casher seufzte. »Das ist alles schwer zu glauben. Du bist ein Kind, aber du bist fast tausend Jahre alt. Du bist ein Untermensch, aber du regierst einen ganzen Planeten …«
»Nur wenn es nötig ist!«, unterbrach sie ihn.
»Du bist weiser als der Großteil der Menschen, die ich kenne, und trotzdem siehst du jung aus. Wie alt fühlst du dich?«
»Ich fühle mich wie ein Kind. Ein Kind von eintausend Jahren. Und man hat mir die Ausbildung und die Erinnerungen und die Erfahrungen einer weisen Lady übertragen.«
»Wer war die Lady?«
»Die Meisterin und Bürgerin Agatha Madigan. Die Frau meines Meisters. Als sie starb, übertrug sie ihr Bewusstsein auf meines. Deshalb spreche ich so gut und weiß so viele Dinge.«
»Aber das ist ungesetzlich!«, rief Casher.
»Ich vermute, dass das stimmt«, pflichtete ihm S’ruth bei, »aber mein Meister hat es trotzdem getan.«
Casher beugte sich auf seinem Stuhl vor. Ernst blickte er sie an. Ein Teil von ihm liebte sie noch immer als das wunderschöne kleine Mädchen, für das er sie gehalten hatte, aber der andere Teil verspürte Ehrfurcht, weil sie mächtiger war als alle, denen er in seinem Leben begegnet war. Sie erwiderte seinen Blick mit diesem ruhigen halben Lächeln, das durch und durch weiblich und vollständig beherrscht ist; sie sah ihn sanft an, als sich in ihren Gesichtern das gelbe Morgenlicht Henriadas spiegelte.
»Ich beginne zu verstehen«, sagte er, »dass du bist, was du sein musst. Es ist sehr seltsam hier auf dieser vergessenen Welt.«
»Henriada ist seltsam«, bestätigte sie, »und ich glaube, dass ich Ihnen seltsam erscheinen muss. Sie haben dennoch Recht, was jeden von uns betrifft – dass man ist, was man sein muss. Ist das nicht die Freiheit? Wenn jeder von uns etwas sein muss, bedeutet Freiheit dann nicht, herauszufinden, was es ist und dann so zu handeln – diese eine Aufgabe, diese äußerste Mission, die mit unserer Natur übereinstimmt? Wie schrecklich wäre es, etwas zu sein und niemals herausgefunden zu haben, was es ist!«
»Wie wer?«
»Wie Gosigo vielleicht. Er war ein großer König, und er war ein guter König, auf einer fernen Welt, wo man noch immer Könige braucht. Aber er beging einen unverzeihlichen Fehler, und die Instrumentalität machte einen Vergessenen aus ihm und schickte ihn hierher.«
»Das also ist das Geheimnis!«, stieß Casher hervor. »Und was bin ich?«
S’ruth blickte ihn ruhig und lange an, bevor sie antwortete. »Sie sind ebenfalls ein Mörder. Auf viele Arten muss das Ihr Leben sehr beschwerlich machen. Sie bestehen darauf, sich selbst zu richten.«
Das kam der Wahrheit so nahe – so nahe Cashers Sorge, ob Gerechtigkeit nicht ein anderes Wort für »Rache« war –, dass er
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