Was aus den Menschen wurde: Meisterwerke der Science Fiction - Mit einem Vorwort von John J. Pierce (German Edition)
um Sie zu stürzen.« Oder dass er sagen würde: »Ich bin Casher O’Neill, und ich habe Jahr um Jahr die Sternstraßen bereist, um Ihre Vernichtung einzuleiten.« Und er hatte sogar sagen wollen: »Ergeben Sie sich oder sterben Sie, Wedder, Ihre Stunde ist gekommen.« Manchmal hatte er davon geträumt, ihm ein »Hier, Wedder!« entgegenzuschleudern und ihm dann das Messer zu zeigen, mit dem er sein Leben beenden würde.
Und jetzt war der Augenblick da, und nichts davon geschah.
Der verrückte Junge mit der Maschine in seinem Innern stand ungezwungen neben ihm.
Casher hatte Wedders Hand ergriffen und sagte einfach: »Ihr Freund.«
Während er das sagte, sondierte er Wedder. Er benutzte die inneren Augen seines Opfers, Augen, die sich nicht in den Höhlen seines Gesichts bewegten, Augen, die er nicht kontrollieren und mit denen er nicht sehen konnte. Die Augen des Bewusstseins. Rasch berichtigte er Wedders Anatomie, arbeitete psychokinetisch, drückte dort eine Arterie zusammen, kniff dort eine Drüse ab und verstärkte hier das Gewebe, durch das das Sekret einer Drüse ausgeschieden wurde. In kürzerer Zeit, als ein normaler Arzt die Prozedur hätte protokollieren können, hatte er Wedder verändert.
Cashers Arbeit war in ihrem Umfang geringer als die eines Piloten während einer Routinelandung; aber die Veränderungen, die er vorgenommen hatte, waren auf Wedders biochemisches System ausgerichtet gewesen. Die Veränderungen waren irreversibel.
Der neue Wedder war der alte Wedder. Derselbe Verstand, derselbe Wille, dieselbe Persönlichkeit. Doch gab es gewisse Korrekturen. Er war jetzt gütiger. Toleranter. Sanfter, menschlicher. Er lächelte und erklärte: »Ich erinnere mich an Sie, Bindaoud. Können Sie diesem Jungen helfen?«
Der vorgebliche Bindaoud ließ seine Hände über den Jungen gleiten. Der Junge weinte vor Schmerz und zitterte einen Moment lang. Er wischte sich seine schmutzige Nase und den Mund am Ärmel ab. Seine Augen blickten normal. Sein Mund schloss sich. Sein Verstand flammte auf, als die alten kranken Verbindungen gesundeten und menschlich wurden. Die Spürhund-Maschine wusste, dass sie fehl am Platz war und suchte sich einen anderen Zufluchtsort. Der Junge, der ein Gehirn, aber noch keine Sprache, kein Wissen besaß, stand da und schluchzte vor Glück. Wedder sagte sehr freundlich: »Das ist bemerkenswert. Ist das alles, was Sie mir zeigen wollten?«
»Alles«, erwiderte Casher.
Er drehte Wedder den Rücken zu und war sich völlig sicher.
Er wusste, Wedder würde nie wieder einen anderen Menschen töten.
Casher verharrte vor der Tür und blickte sich noch einmal um. Wedders Haltung verriet, dass das, was hatte getan werden müssen, getan worden war: Die Veränderungen in dem Mann waren größer als der Mann selbst. Der Planet war frei, und Cashers Aufgabe war damit erfüllt. Das plötzlich ängstlich werdende Kind, das den Spürhund verloren hatte, folgte ihm aus blindem Instinkt.
Die Colonels und Stabsoffiziere wussten nicht, ob sie salutieren oder nicken sollten, als sie ihren Chef im Türrahmen stehen sahen und er Casher O’Neill mit unerwarteter Freundlichkeit zuwinkte, während dieser die breiten, durch Teppiche gedämpften Stufen hinunterstieg. Das Kind stolperte hinter ihm her. Auf der untersten Stufe blickte Casher ein letztes Mal zu seinem Feind hinauf, der fast ein Teil von ihm selbst geworden war. Da stand Wedder, der Mann des Blutes. Und er, Casher O’Neill, hatte nun das Blut getilgt, die Vergangenheit zurückgeholt und die Zukunft neu gestaltet. Ganz Mizzer war in die Offenheit und Freiheit zurückgekehrt, die in der Zeit der alten Republik der Zwölf Nile geherrscht hatten. Er ging weiter, wechselte von einem Gang in den nächsten und überquerte dann und wann einen der Innenhöfe, bis er das Ausgangstor des Palastes erreicht hatte. Der Posten präsentierte das Gewehr.
»Rühren«, befahl Casher. Der Mann senkte das Gewehr.
Casher stand vor dem Palast, der seinem Onkel gehört hatte, der sein und sogar ein Stück seiner selbst gewesen war. Er atmete Mizzers klare Luft. Er blickte hinauf zu dem hellen blauen Himmel, den er immer geliebt hatte. Er betrachtete die Welt, der er versprochen hatte, mit Gerechtigkeit, mit Rache, mit Donner, mit Macht zurückzukehren. Dank der seltsamen und ungewöhnlichen Fähigkeiten, die er von dem Schildkrötenmädchen S’ruth in der sturmgepeitschten Atmosphäre Henriadas erlernt hatte, war ihm ein blutiger Kampf erspart
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