Was bin ich wert
könnte dann Dialysezentren dichtmachen und das Geld in Frischwasseraufbereitungsanlagen investieren.
Die Ökonomik als, wie er sagt, »Knappheitswissenschaft« stößt hier an die Grenzen ihrer Kunst.
– Gerade Wasser ist vielleicht das wichtigste Lebensmittel, das schon heute Konflikte schafft, die in Zukunft immer öfter in Kriege ausarten können. Man muß sich überlegen, ob man dafür militärisch aufrüsten will oder schauen, wie man mehr Wasser zu Verfügung stellen kann. Zum Beispiel durch Wasserreinigung, durch Entsalzung etc. Wir sind doch gezwungen, mit friedlichen Mitteln miteinander auszukommen. Mit Atombomben kann man keinen Krieg gewinnen und auch keine Probleme lösen. In den Schulen, den Universitäten kommen diese Fragen aber nicht oder viel zu selten vor. Da fehlt der globale Ansatz. Jeder schaut vor allem, wo er für sich mehr rausholen kann.
Ein Moment Schweigen. Unsere Apfelschorlengläser sind so gut wie leer.
– Werden diese monetären Bewertungen des Menschen zunehmen?
– Ja.
– Ist die ökonomische Wissenschaft darauf vorbereitet?
– Die Zunft der Ökonomen wird vermutlich überbewertet. Nicht nur beim Wert des statistischen Lebens, auch bei der Wirtschaftskrise. Die Ökonomen haben in den letzten 20 Jahren den Mund zu weit aufgemacht und den anderen erklärt, wo es langgeht. Es schadet der Sache nicht, wenn sie nun vom hohen Roß fallen. Diese ganze Vermathematisierung hängt auch damit zusammen, daß die Ökonomen darunter gelitten haben, daß sie nie einen Wissenschaftswert hatten wie ein Physiker oder Mathematiker. Und dann dachten sie, wenn sie auch solche Methoden haben, sind sie endlich genauso angesehen.
Er erwähnt eine Anekdote über den großen Physiker Max Planck. Der habe mal dem großen Ökonomen John Maynard Keynes von seinen Plänen gestanden, Nationalökonomie zu studieren. Daraus sei aber nichts geworden, weil Planck erkannt hatte, daß es wegen der eher fixen Daten in der Physik leichter sei als in der Ökonomie.
– Die Ökonomik ist eine Zunft mit vielen Unsicherheitsfaktoren und eher als ein Handwerk zu betrachten. Gerade in unsicheren Zeiten kann sie kaum Prognosen liefern. Man hat bekanntlich ja auch lange gestritten, ob man Ökonomen überhaupt einen Nobelpreis verleihen soll. Erst circa 70 Jahre nach der Verleihung der ersten Nobelpreise kam dann auch der Nobelpreis für Ökonomen, finanziert von der schwedischen Nationalbank, nicht aus dem Topf von Herrn Nobel.
Zeit für ein Schlußwort. Ich versuche einen Scherz.
– Sollte man die Volkswirtschaftslehre dann nicht lieber abschaffen?
– Natürlich nicht. Sie sollte aber dazu stehen, daß zum Beispiel unterschiedliche Analyseergebnisse, auch unterschiedliche Zahlen, wie etwa beim Versuch, den Wert des Lebens zu berechnen, nicht das Problem sind. Transparenz bei der Berechnung von Tatbeständen ist wichtig. Dann kann derUmgang mit den Zahlen auch besser kontrolliert werden. Das macht das ganze nur ehrlicher. Besser mehrere unterschiedliche Zahlen als eine falsche. Und last but not least: Auch bei allen wichtigen ökonomischen Fragen geht ohne Ethik nichts. Das wußte auch Adam Smith schon, der sein Hauptwerk über Die Theorie der ethischen Gefühle schon einige Jahre vor dem Wohlstand der Nationen schrieb und darauf in letzterem aufbaute. Die Ökonomen haben das leider zum großen Teil vergessen.
Auf der Heimreise im Zug wirkt das Gespräch noch lange nach. Ich habe mich eigentlich nie wirklich für Volks-, Betriebs- oder eine sonstige Wirtschaft interessiert. Als es nach dem Abitur um die beruflichen Ziele ging, hatten die ökonomischen Wissenschaften keine Anziehungskraft auf mich. Jetzt bereue ich das manchmal. Die Wirtschaft hat nun mal einen entscheidenden Einfluß auf unser Leben. Und er scheint immer weiter zu wachsen. Da tut es gut, auf einen kritischen Ökonomen wie Nussbaumer zu stoßen, bei dem es in der Volkswirtschaft nicht nur um die Wirtschaft geht. Aber es irritiert mich, daß er darauf beharrt, man müsse den Wert von Menschen berechnen, zumal er in seinen Kalkulationen und deren Konsequenzen vage bleibt. Läuft das nicht auf Berechnungen hinaus, wie sie exemplarisch von der Bundesanstalt für Straßenwesen und vom Umweltbundesamt vorgenommen werden? Was für mich bleibt, ist ein Zwiespalt, eine Unentschiedenheit oder, positiv ausgedrückt, ein erweitertes Problembewußtsein. Aber ich bin ja auch noch nicht am Ende meiner Recherche.
Es bleibt vor
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