Was bin ich wert
genau. Wär doch schön. Bei aller Freundlichkeit, diesen Gefallen will oder kann Polossek mir nicht tun.
– Also: Seinen Wert entdeckt man, wenn man mit anderen Menschen in Beziehung tritt. Das schafft eine andere Wertebasis als die des wirtschaftlichen Austausches. Dieses Wertebewußtsein steht weit über allen monetären Bewertungen. Wenn das aber fehlt und auch die religiöse Basis nicht da ist, dann fürchte ich, entwerten wir uns Schritt für Schritt. Das ist ein schleichender Prozeß. Das muß nicht in einer Generation passieren. Aber in zwei oder drei Generationen lassen wir uns sonst von den Sachzwängen immertiefer in die Knie zwingen. Dann kommen wir zu Schlußfolgerungen, die aus der jetzigen Perspektive wirklich furchtbar und schrecklich sind. Dem müssen wir etwas entgegensetzen.
Klingt ein wenig nach Apokalypse. Eine Warnung. Es ist alles gesagt, und ich habe nichts mehr zu fragen. Es klingelt wieder. Der vergessene Termin. Polossek steht auf. Unten auf der Straße renne ich fast in eine lange Schlange geduldiger Menschen, die auf eine Mahlzeit in der Suppenküche hoffen.
40.
Gesundheitsökonomie II: 20 000 bis 30 000 Euro für eine Niere.
Peter Oberender plädiert für ein eBay der Organe
Mit der Gesundheitsökonomie, ich hatte es gesagt, bin ich noch nicht ganz fertig. Zumal es da noch einen wichtigen Punkt gibt, der meinen Wert betrifft. Es sind meine Organe.
Denn rein theoretisch müßten auch die einen Wert haben. Zumindest diejenigen, die sich transplantieren lassen. Die Idee kam mir in der Apotheke, als ich den ernüchternden Wert meiner chemischen Substanzen erfuhr. Schließlich handelt es sich um erprobte Ware, recht gut gepflegt, anfangs mit Muttermilch und zumindest in den letzten Jahren fast ausschließlich mit Biokost betrieben. Das kann ja nicht alles umsonst gewesen sein. Sogar die Bundesanstalt für Straßenwesen hat ja schon mal überlegt, damit zu kalkulieren.
Die erste erfolgreiche Organtransplantation bei einem Menschen gelang 1954 mit einer Niere. Joseph Murray bekam dafür den Nobelpreis für Medizin. Da jeder Mensch zwei Nieren hat, ist es grundsätzlich möglich, eine zu spenden und trotzdem weiterzuleben. Das gleiche betrifft die Leber. Man kann einen Teil von ihr verpflanzen, da sich die »Restleber« des Spenders regeneriert.
Bei den anderen transplantierbaren Organen – Herz, Lunge, Dünndarm, Bauchspeicheldrüse – ist das nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Sie können nur bei Hirntoten entnommen werden. Das heißt, das Gehirn ist unwiderruflich zerstört, 90 Prozent des Organismus, also Herzschlag, Sauerstoffversorgung, Verdauung etc. funktionieren aber noch.
In Deutschland gibt es seit 1997 ein Transplantationsgesetz. Die Verteilung der gespendeten Organe übernimmt die halbstaatliche Stiftung Eurotransplant für die zusammengeschlossenen Länder Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Deutschland, Slowenien, Österreich und Kroatien. Die Vergabekriterien sind komplex und deswegen auch nicht immer wirklich transparent. Die medizinische Verträglichkeit etwa der Blutgruppen vorausgesetzt, wird vorwiegend nach Dringlichkeit und Wartezeit entschieden. Heilungschancen spielen eine eher untergeordnete Rolle.
Das Problem ist, daß mehr Organe benötigt als gespendet werden. Das ist überall so. In Deutschland sogar noch ein bißchen stärker als in allen anderen europäischen Ländern. Umfragen zufolge würden 90 Prozent der Deutschen ein Organ annehmen, während nur zwölf Prozent einen Organspenderausweis besitzen.
Von etwa 50 000 Menschen, die ein fremdes Organ brauchen, schaffen es etwa 12 000 auf die offizielle Warteliste. Es können aber jährlich nur ca. 4000 Transplantationen durchgeführt werden. Trotz aller Bemühungen, die Zahl der Spenden zu erhöhen, wartet somit etwa jeder Dritte vergeblich. Transplantationsbefürworter sprechen vom »Tod auf der Warteliste«.
Es gibt allerdings einen internationalen, weitgehend illegalen Organhandel. Zahlungskräftige Kranke aus den Industriestaaten kaufen sich über dubiose Vermittler Organe von notleidenden Menschen in Osteuropa oder aus vorwiegend asiatischen Entwicklungsländern, wo in der Regel auch die Operationen vorgenommen werden. Bis zu drei Prozent der in Deutschland registrierten potentiellen Organempfänger erwerben eine Niere im Ausland, um die drei- bis fünfjährige Wartezeit auf ein legal gespendetes Organ zu vermeiden. Die Spender auf den illegalen Märkten im Ausland
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