Was bisher geschah
US-Präsident Ronald Reagan den Kommunismus als »Mittelpunkt des Bösen in der modernen Welt« sieht, rüstet er die Mudschaheddin, die islamischen Freischärler, gegen die Sowjets mit Boden-Luft-Raketen des Typs Stinger aus. Damit trägt er ungewollt dazu bei, in Afghanistan langfristig einen Rückzugsraum für islamistische Terroristen zu schaffen.
Im Rahmen des Wettrüstens bringen die USA die Sowjets mit astronomischen Militärausgaben – allein 1985 sind es 287 Milliarden Dollar – etwa für das Weltraummilitärprogramm SDI (Strategic Defense Initiative) wirtschaftlich in Bedrängnis. Natürlich hat Reagan mit seiner »Politik der Stärke«, die den Zusammenbruch des sowjetischen Repressionssystems beschleunigt, auch schlicht Glück. Denn statt eines Hardliners kommt in der UdSSR im März 1985 mit Michail Gorbatschow ein Reformer an die Macht. Er will weg von der Konfrontation. Sein Programm von »Perestroika« (Umgestaltung) und »Glasnost« (Offenheit) führt als Revolution von oben letztlich zur Auflösung des Ostblocks. Gemäß der Sinatra-Doktrin, wie es der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums in Anspielung auf Frank Sinatras Klassiker »My Way« launig formuliert, darf jedes Land seinen Weg des Sozialismus beschreiten.
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Willy Brandts Kniefall im Jahr 1970 vor dem Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto von 1943. Es entbrannten Diskussionen darüber, ob die Geste angebracht gewesen sei, geplant oder spontan.
In Polen und Ungarn findet der Kurs Anklang, die Regime in Rumänien und der DDR lehnen ihn ab. Tatsächlich wird der Weg zur Demokratie, den der Ostblock in den Jahren 1989/1990 insgesamt geht, eine große Bandbreite an Umsturzvarianten umfassen. Sie reicht von extremer Brutalität bis zu beeindruckender Gewaltfreiheit. In Polen, der ersten treibenden Kraft, ist die verbotene Gewerkschaft Solidarność (Solidarität) seit Anfang der achtziger Jahre Sammelbecken des Widerstandes gegen General Jaruzelski. Dank Streiks – und mit Unterstützung des polnischen Papstes Johannes Paul II. – kann 1990 Solidarność-Führer Lech Walesa zum Präsidenten gewählt werden. In Ungarn schafft János Kádár mit dem sogenannten Gulasch-Kommunismus, der mit privatwirtschaftlichen Elementen angereichert ist, die Voraussetzung für Reformen aus der kommunistischen Regierungspartei heraus. 1990 wird József Antall Ministerpräsident – ein Mann, den die Sowjets 1956 beim Aufstand in Ungarn kaltgestellt hatten. In der Tschechoslowakei kommt der Impuls von Bürgerrechtlern der »Charta 77«. Am Ende wird der Schriftsteller Václav Havel, der während des kommunistischen Regimes einige Jahre im Gefängnis war, Staatspräsident. Sehr brutal läuft die Revolution in Rumänien ab. Zwar kann der innerparteiliche Reformer Ion Iliesco den Diktator Nicolae Ceauşescu 1990 stürzen. Doch müssen Hunderte Demonstranten sterben, massakriert von Mitgliedern der Geheimpolizei Securitate.
Dass sich die Verhältnisse in Rumänen langfristig bessern, verdankt sich auch der EU, der nach dem Ende des Kalten Krieges die meisten ehemaligen Ostblockstaaten angehören. Sie etabliert sich im Westen im Schatten des Kalten Krieges als Alternative zu den Militärbündnissen NATO und Warschauer Pakt. In den fünfziger Jahren als Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) gegründet und 1957 als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) formiert, ist die EU eine ganz neue Art des Verbundes, zugleich Staatengemeinschaft und Verfassungsstaat, Zentrum des Lobbyismus, bürokratischer Finanzapparat und soziale Utopie. Im Sinn der französischen Politiker Robert Schuman und Jean Monnet soll in der EWG ein ökonomisch motiviertes Gemeinschaftsgefühl auf andere Bereiche wie die Sozial- und Sicherheitspolitik übergreifen. Lange bevor mit den Verträgen von Maastricht (1992) auch eine Währungsunion beschlossen wird, trägt die EU zum Beispiel im Jahr 1986 mit der Aufnahme von Spanien und Portugal, die erst in den siebziger Jahren ihre Diktaturen überwinden, zur Modernisierung und Öffnung Europas bei. Sie sorgt für den Ausgleich zwischen ärmeren und reicheren Ländern in Europa.
Am wenigsten von der Integrationsleistung der EU haben in Europa bislang Länder aus dem ehemals blockfreien Jugoslawien profitiert. Dort hatte die Öffnung Osteuropas zunächst furchtbare Folgen. Nachdem sich 1990 in den ersten freien Wahlen in den Teilrepubliken überall außer in Serbien Nicht- beziehungsweise Reformkommunisten
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